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Schweizer Industrie: viel Sichtbarkeit, wenig Widerstandskraft

Die genaue Überwachung von Lieferketten ist kein Ersatz für Resilienz-Massnahmen. (Adobe Stock)

Schweizer Industrie: viel Sichtbarkeit, wenig Widerstandskraft

Technologie

13.11.2025 | Marco Cousin

Schweizer Industrie: viel Sichtbarkeit, wenig Widerstandskraft

Die Schweizer Industrie fokussiert auf Sichtbarkeit, bleibt aber verletzlich: Mehr Firmen priorisieren Transparenz als Resilienz – fragmentierte Daten und wenig Automatisierung verhindern echte Krisenfestigkeit.

Die Schweizer Industrie richtet den Fokus auf Transparenz, doch bei der Krisenfestigkeit bleibt sie zurück. 21 Prozent der Unternehmen wollen vorrangig die Sichtbarkeit in ihrer Lieferkette verbessern, aber nur 14 Prozent priorisieren Resilienz-Massnahmen. Das zeigt eine neue Studie von Dun & Bradstreet.

Fokus auf Transparenz – aber ohne tieferen Einblick

Regulatorische Verschiebungen wie Zölle und Sanktionen zählen dabei für 25 Prozent der Hersteller zu den grössten Risiken. Trotzdem überwachen nur 3 Prozent ihre Lieferketten über alle Stufen hinweg. Parallel treibt die Branche eine ambitionierte Nearshoring-Strategie voran: 78 Prozent der befragten Industrieunternehmen planen, den Grossteil oder sogar die gesamte Kette näher an den Heimmarkt zu verlagern.

«Schweizer Industrieunternehmen wollen verstehen, mit wem sie in ihren Lieferketten zusammenarbeiten, doch oft fehlt der Überblick, wie zuverlässig und regelkonform ihre Zuliefererstrukturen tatsächlich sind», sagt Björn Gerster, Head of Manufacturing bei Dun & Bradstreet. «Transparenz ist der erste Schritt, aber ohne belastbare Daten zu Abhängigkeiten, Risiken und Szenarien bleibt sie ein Blick in den Rückspiegel.»

Technologie- und Datenlücke bremst Fortschritt

Als Bremsklotz erweist sich eine Technologie- und Datenlücke. Viele Abläufe – Lieferantenbewertungen, Risikoanalysen, Kundendaten – laufen weiterhin manuell; vollständig automatisiert sind erst rund 10 bis 15 Prozent dieser Kernprozesse. Gleichzeitig fehlt häufig der integrierte Datenzugang: Nur etwa ein Drittel der Firmen verfügt über Informationen zu Zöllen (28 %), Sanktions- und Compliance-Risiken (30 %) oder Nachhaltigkeitskennzahlen (28 %) von Geschäftspartnern. Andere Märkte liegen vorn – etwa die USA (51 % bei Zolldaten) oder Grossbritannien (40 %).

Die Studie zeichnet damit ein klares Bild: Die Schweiz investiert in Transparenz, übersetzt diese Sichtbarkeit aber zu selten in belastbare Resilienzstrategien. Fehlende Datenintegration und geringe Automatisierung erschweren es, Risiken frühzeitig zu erkennen – in einem Umfeld, das zunehmend von regulatorischen und geopolitischen Faktoren geprägt ist. Eine solide Datenbasis ermögliche es, Risiken zu erkennen, zu antizipieren und gezielt zu steuern – ein entscheidender Wettbewerbsvorteil, insbesondere für exportorientierte Unternehmen.

Zur Methodik: Im August 2025 befragte Censuswide im Auftrag von Dun & Bradstreet 2’000 Fach- und Führungskräfte in Deutschland, Schweden, Schweiz, Grossbritannien und den USA zu Regulierung, Lieferketten-Transparenz und -strukturen, Investitionsschwerpunkten sowie Daten, KI und Automatisierung.

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