Schon wieder muss Julius Bär Millionen wegen Altlasten abschreiben. (Adobe Stock)
Wirtschaft
24.11.2025 | nzz.ch
Das Aufräumen nimmt kein Ende: Julius Bär muss erneut Wertberichtigung in dreistelliger Millionenhöhe vornehmen
Die Vertrauenskrise bei der Privatbank ist nicht vorbei. Julius Bär muss Kredite im Umfang von 149 Millionen Franken abschreiben. Laut dem Bankchef Stefan Bollinger ist die Überprüfung des Kreditbuches nun aber abgeschlossen.
Der Ausflug ins Immobiliengeschäft erwies sich für Julius Bär als folgenreicher Fehlentscheid. Die Privatbank muss erneut einen Abschreiber auf Immo-Kredite vornehmen. Diesmal muss Julius Bär 149 Millionen Franken abschreiben, als Folge der Überprüfung ihres Kreditbuches.
Die Kredite betreffen hauptsächlich Renditeimmobilien im Wohn- und Gewerbebereich. Der Bankchef Stefan Bollinger teilte am Montag mit, Julius Bär habe entschieden, gewisse Positionen in diesem Bereich abzubauen.
Das Kreditportfolio hat einen Umfang von rund 700 Millionen Franken. Da die Privatbank damit rechnet, die Immobilien unter ihrem ursprünglichen Wert zu verkaufen, bildet sie dafür Rückstellungen in der Höhe von 149 Millionen Franken. Gleichzeitig gab der Bankchef bekannt, dass die Überprüfung des Kreditbuches nun abgeschlossen sei.
Dass die Privatbank erneut einen Abschreiber vornehmen muss, überrascht. Ende Mai sagte Bollinger bei der Vorstellung der neuen Strategie, dass er mit keinen weiteren Risiken rechne, die zu Kreditausfällen führen könnten. Unter anderem wegen solcher Wertberichtigungen erwartet Julius Bär für 2025 einen tieferen Gewinn als im Vorjahr.
Aufräumen geht in die letzte Phase
Die nun abgeschlossene Überprüfung des Kreditbuches sei die letzte Phase der Aufarbeitung der Altlasten im Kreditbereich, schreibt die Bank in einer Mitteilung. Begonnen hat das Debakel mit dem milliardenschweren Zusammenbruch der Immobilien- und Handelsgruppe Signa.
Anfang 2024 musste Julius Bär 600 Millionen Franken schlecht besicherter Kredite abschreiben, die die Privatbank dem österreichischen Immobilien-Pleitier René Benko vergeben hatte. Das Debakel kostete der damaligen Firmenspitze die Jobs. Der Bankchef Philipp Rickenbacher musste sofort zurücktreten, der Verwaltungsratspräsident Romeo Lacher trat ein Jahr später nicht mehr zur Wiederwahl in den Verwaltungsrat an.
Im Mai 2025 schrieb Julius Bär weitere 130 Millionen an faulen Immobilienkrediten ab. Nun folgen 149 Millionen Franken. Diese beiden Abschreiber hängen laut der Privatbank nicht mit der Signa-Pleite zusammen. Im derzeitigen Fall handelt es sich um Kredite für Immobilien, die sich mehrheitlich in der Schweiz und Westeuropa befinden. Die Kreditverträge wurden vor 2023 abgeschlossen.
Stefan Bollinger, der Anfang Jahr den CEO-Job bei Julius Bär übernommen hat, steht nun vor einer schwierigen Aufgabe. Er muss das Vertrauen von Kunden und Aktionären in die Privatbank wiederherstellen. Wie die Wertberichtigungen zeigen, fehlte der Privatbank offenbar das nötige Fachwissen bei der Vergabe von Immobilienkrediten. Zudem hatte sie ihr Risikomanagement nicht im Griff.
Das zeigt auch der lockere Umgang, der beispielsweise in E-Mails zwischen Signa-Managern und Kundenberatern von Julius Bär geherrscht hat. Sie gelangten im Rahmen einer laufenden Klage des Insolvenzverwalters der wichtigsten Signa-Gesellschaft an die Öffentlichkeit.
Der Insolvenzverwalter will 62,3 Millionen Euro von Julius Bär zurück. Die Privatbank weist die Vorwürfe des Insolvenzverwalters zurück. Die nächste Verhandlung in der Sache soll dem Vernehmen nach im kommenden Frühling stattfinden.
Vorsichtiger Blick nach vorne
Für Analysten ist entscheidend, dass die Überprüfung des Kreditbuches abgeschlossen ist. Dieser Schritt dürfte es der Bank ermöglichen, die Wende einzuleiten, schreibt die Zürcher Kantonalbank in einer ersten Einschätzung.
Künftig will sich die Privatbank auf die klassische Vermögensverwaltung konzentrieren und ihren reichen Kunden zusätzlich Lombard- und Hypothekarkredite für Wohnimmobilien anbieten, wie Julius Bär in einer Mitteilung schreibt. In dem Zusammenhang seien auch die Risikoleitlinien umfassend überarbeitet worden.
Die Aktien haben nach dem erneuten Abschreiber am Montagvormittag zeitweise mehr als 4 Prozent verloren. Auch die eigentlich positiven Geschäftszahlen, welche die Privatbank für die ersten zehn Monate des Jahres vorgelegt hat, konnten das nicht verhindern.
Die verwalteten Vermögen sind mit 520 Milliarden Franken Ende Oktober deutlich angestiegen. Julius Bär hat dabei von den steigenden Börsenkursen profitiert. Ebenfalls in die richtige Richtung zeigt die Entwicklung bei der Effizienz: Das Kosten-Einkommens-Verhältnis der Bank sank auf 66 Prozent. Im ersten Halbjahr lag der Wert noch bei 68 Prozent.
Nun muss der Bankchef Bollinger zeigen, ob der Trend anhält. Beim Sparen sieht er sich auf Kurs. Bis Jahresende will Julius Bär 130 Millionen Franken einsparen.
Beim Neugeld lief es dagegen weniger gut. In den ersten zehn Monaten brachten Kunden 11,7 Milliarden Franken an neuem Geld zu Julius Bär – der tiefer als erwartete Wert hat auch damit zu tun, dass sich die Privatbank von risikoreicheren Kunden trennt und im Kundengeschäft vorsichtig unterwegs ist.
Keine Neuigkeiten gibt es zum Verfahren der Finanzmarktaufsicht (Finma) wegen der Kreditvergabe an die Signa. Solange dieses nicht abgeschlossen ist, will Julius Bär auch keine Aktienrückkaufe in Betracht ziehen.
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