Die staatliche Exportrisikoversicherung ist besonders stark in Geschäften mit Schienenfahrzeugen engagiert. (Adobe Stock)
 
Wirtschaft
29.10.2025 | nzz.ch
Bundesrat will einfacheren Zugang der Industrie zur Exportversicherung
Staatskrücken für die Industrie sind global im Vormarsch. Die Schweiz hält sich im internationalen Vergleich zurück – auch bei der Exportförderung. Der Bundesrat will der staatlichen Exportversicherung aber mehr Spielräume geben.
Der Markt soll es richten, und nur bei Marktversagen greift der Staat ein. Dieser Kernsatz der Wirtschaftspolitik ist zurzeit in der Welt kaum mehrheitsfähig. Die geopolitischen Spannungen mit heissen und kalten Kriegen haben in den letzten Jahren anderen Parolen Auftrieb gegeben: Sicherheit geht vor wirtschaftlicher Effizienz, und Nationalismus geht vor grenzüberschreitender Zusammenarbeit.
Die Schweiz lebt stark vom grenzüberschreitenden Geschäft und hat sich bisher mit Staatskrücken für die Industrie via Subventionen, Zölle und Exportförderung weitgehend zurückgehalten. Das gilt auch für die staatliche Exportrisikoversicherung (Serv). Diesen Juni hat die Serv auf Basis eines Vergleichs mit ähnlichen Staatsagenturen aus 17 anderen Ländern festgestellt, dass das Produktportfolio der Serv «sehr beschränkt» sei. So bietet die Serv im Unterschied zu diversen ausländischen Agenturen zum Beispiel keine Kredite an. Sie versichert auch keine Geschäfte von Exporteuren im Zusammenhang mit importierten Gütern wie Maschinen oder Rohstoffen. Und sie versichert keine Direktinvestitionen hiesiger Firmen im Ausland.
Eine Revision des Serv-Gesetzes «ist unabdingbar geworden», befand die Serv aufgrund der internationalen Vergleichsstudie. Handlungsbedarf ortete die Agentur vor allem bei der Produktepalette und den Voraussetzungen für den Zugang von Firmen zu Serv-Diensten.
«Wir wollen keine Bank werden»
Will die Serv etwa neu auch Kredite geben können und Geschäfte von Exporteuren im Zusammenhang mit importierten Gütern versichern? Die Verwaltungsratspräsidentin Barbara Hayoz sagt: «Klar nein. Wir wollen keine Bank werden. Und wir wollen auch keine Importgeschäfte versichern. Wir bleiben eine Exportrisikoversicherung.» Als Hauptanliegen bezeichnet sie eine Erhöhung der Flexibilität und die Senkung des administrativen Aufwands vor allem für Klein- und Mittelbetriebe (KMU). Über 80 Prozent der Serv-Kunden sind KMU.
So muss die Serv zum Beispiel Exportgeschäfte derzeit einzeln versichern. Erwünscht wäre laut Hayoz künftig die Möglichkeit, stattdessen Exporteuren über einen definierten Zeitraum eine generelle Versicherungslimite zu geben. Mehr Flexibilität sei auch bei den Vorgaben zum Domizil des Versicherungsnehmers erwünscht, um den Zugang von Schweizer Lieferanten zu internationalen Grossprojekten zu verbessern. Auch bei den Vorgaben zur inländischen Wertschöpfung wünscht die Serv eine grössere Flexibilität.
Einfacherer Zugang
Die Serv-Anliegen dürften in der Tendenz die Bedürfnisse der Kundschaft spiegeln. So sind auch aus der Industrie Wünsche nach Vereinfachungen zu hören. Beim Bund sind diese Anliegen auf offene Ohren gestossen. Der Bundesrat hat am Mittwoch im Grundsatz eine Teilrevision des massgebenden Gesetzes beschlossen. Der Bundesrat definierte dabei zwei Hauptziele. Schweizer Exporteure sollen einen einfacheren Zugang zu den Serv-Dienstleistungen bekommen. Zudem soll die Gesetzesrevision die Einführung neuer Produkte und eine grösseren Flexibilität für künftige Anpassungen ermöglichen.
Die Details stehen dem Vernehmen nach noch nicht fest. Das konkrete Gesetzesprojekt soll im Sommer 2026 in die Vernehmlassung kommen. Klar scheint, dass keine industriepolitische Revolution zu erwarten ist. Die Serv soll keine Bank werden, sich weiterhin auf die Versicherung von Exportrisiken beschränken und keine Aufträge zur Förderung von bestimmten «strategischen» Industrien erhalten. Und die Versicherungsprämien sollen weiterhin kostendeckend sein.
Die Serv soll zudem auch künftig nur jene Exportgeschäfte versichern, bei denen es kein privates Angebot gibt. In der Praxis betrifft das vor allem Exportgeschäfte mit mittel- und langfristiger Laufzeit in unstabilen Ländern. Bei Geschäften mit weniger als zwei Jahren Laufzeit müssen Schweizer Exporteure derzeit zwei abschlägige Bescheide von Privatversicherern vorlegen, bevor sie bei der Serv zum Zug kommen. Bei längerfristigen Geschäften in unstabilen Ländern sind private Versicherungsdeckungen laut Beobachtern ohnehin kaum zu erhalten. Angesichts der wachsenden geopolitischen Spannungen dürfte die Rolle von staatlichen Exportversicherungen noch bedeutender werden.
Ende 2024 war die Liste der Länder mit den grössten ausstehenden Serv-Engagements angeführt von der Türkei, Bangladesh, Kasachstan und Usbekistan. Insgesamt waren Geschäfte für rund 8,2 Milliarden Franken ausstehend – aufgeteilt auf rund 1200 Versicherungspolicen. Zu den prominent vertretenen Exportsektoren zählten unter anderem Bahntechnologie, Maschinenbau, Stromerzeugung und -verteilung und Ingenieursleistungen.
 
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