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«Für eine kleinere BVG-Reform bin ich zuversichtlich»

Elisabeth Baume-Schneider, Bundesrätin und Vorsteherin des Eidgenössischen Departements des Innern. (PD)

«Für eine kleinere BVG-Reform bin ich zuversichtlich»

Versicherung

6.6.2025 | NZZ Content Creation

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«Für eine kleinere BVG-Reform bin ich zuversichtlich»

Bundesrätin Elisabeth Baume-Schneider ist als Innenministerin auch für gesamtschweizerischen Sozialwerke verantwortlich. Ein Interview über Errungenschaften und Handlungsbedarf – nicht nur bei der zweiten Säule.

Dieser Inhalt ist im Rahmen der NZZ-Verlagsbeilage «40 Jahre BVG» erschienen – realisiert durch NZZ Content Creation in Kooperation mit dem Pensionskassenverband ASIP. Hier geht es zu den NZZ-Richtlinien für Native Advertising.

Frau Bundesrätin, am 22. September 2024 hat die Schweizer Bevölkerung die BVG-Reform abgelehnt. Wie geht es Ihnen als verantwortliche Bundesrätin knapp ein Dreivierteljahr danach?

Gut, ich bin weiterhin sehr motiviert für die politische Arbeit. Es wäre falsch, Abstimmungserfolge und Abstimmungsniederlagen ausschliesslich einer bestimmten Person zuzuschreiben. Bei Urnenentscheiden spielen immer unterschiedliche Faktoren zusammen. Was hingegen wichtig ist: Dass man die Ergebnisse genau analysiert und die richtigen Schlüsse zieht für die Zukunft. Für diese verantwortungsvolle und leidenschaftliche Aufgabe sind wir gewählt.

Die letzte grosse Reform der beruflichen Vorsorge zielte darauf ab, die Finanzierung der zweiten Säule zu stärken, das Leistungsniveau insgesamt zu erhalten und die Absicherung von Teilzeitbeschäftigten zu verbessern. Wo stehen wir heute punkto:
- Senkung des Umwandlungssatzes für das Altersguthaben?
- Erhöhung des versicherten Lohns mittels Ausgleichsmassnahmen
- Verbesserung der Vorsorge bei tiefen Einkommen und bei Teilzeitarbeit?
- Senkung der Sparbeiträge für ältere Arbeitnehmer?

Grundsätzlich gibt es bei diesen Punkten weiterhin Handlungsbedarf. Der Mindestumwandlungssatz ist nach wie vor zu hoch für jene Kassen, die nur das Obligatorium anbieten oder wenig mehr. Ungelöst ist vor allem auch die Situation für jene Arbeitnehmer, die wenig verdienen, Teilzeit arbeiten oder mehrere Jobs haben. Sie sind in der obligatorischen beruflichen Vorsorge nach wie vor unzureichend versichert, auch wenn viele Arbeitgeber und Pensionskassen für sie bessere Lösungen anbieten. Hier müssen wir auf eine Verbesserung hinarbeiten.

Den Gender Pension Gap betreffend, erklärten Sie in einem Interview mit der «NZZ am Sonntag» Anfang Mai: «Wir werden aber prüfen, wie wir tiefe Löhne und Löhne aus mehreren Teilzeitjobs besser versichern können. Davon profitieren vor allem Frauen.» Doch Teilzeitarbeit kann auch problematische Folgen haben, zum Beispiel wenn Frauen weniger als 70 Prozent arbeiten. Was heisst das in der zweiten Säule für die Kluft zwischen den Geschlechtern?

Ja, Teilzeitarbeit führt zu tieferen Renten. Davon sind vor allem die Frauen betroffen, weil es immer noch starke Ungleichheiten gibt zwischen den durchschnittlichen Arbeitspensen der Männer und der Frauen. Andere europäische Länder sind da schon wesentlich weiter als die Schweiz. Die unzureichende Absicherung von Teilzeitarbeitenden zu korrigieren, ist nicht einfach, weil höhere Lohnbeiträge die Wirtschaft und das Portemonnaie der versicherten Person belasten. Das ist nicht beliebt, wie die letzte Reform gezeigt hat. Wir dürfen aber Teilzeitarbeit nicht schlechtreden. Sie hat nicht dazu geführt, dass weniger gearbeitet wird. Im Gegenteil. Und der Arbeitsmarkt ist dank Teilzeitarbeit durchlässiger und flexibler geworden. Nicht zu vergessen, dass heutzutage immer noch viele Frauen und Männer nur Teilzeit arbeiten können, weil es an Betreuungsstrukturen fehlt für ihre Kinder, für ihre betagten Eltern oder für pflegebedürftige Familienangehörige. Hier Fortschritte zu erzielen, ist doppelt sinnvoll: Für die Absicherung der Teilzeitarbeitenden und für die Volkswirtschaft.

Konkret: Wie geht es nun ohne Reform weiter mit dem BVG? Einen grossen Wurf dürfte es so schnell nicht geben …

Ich habe nach der Abstimmung mit allen Akteuren Gespräche geführt. Die Senkung des Mindestumwandlungssatzes wurde nun dreimal abgelehnt. Ich denke, man kann mit Fug und Recht sagen, dass ein weiteres Paket mit einer Senkung des Umwandlungssatzes keine Chance hat. Für eine kleinere, gezielte BVG-Reform mit Vorschlägen, die von den wichtigsten Akteuren unterstützt werden, bin ich aber zuversichtlich.

«In der zweiten Säule haben ­Pensionskassen, Arbeitgeber und Arbeitnehmer die Möglichkeit, diverse Probleme selbst zu lösen.»

Die NZZ schrieb kurz nach dem Volks-Nein: «Die Pensionskassen werden im Schatten der AHV stehen, deren Finanzierung nur noch wenige Jahre gesichert ist – weil nun die Babyboom-Jahrgänge sukzessive pensioniert werden, weil die Lebenserwartung weiter zunimmt und weil die AHV ab 2026 die 13. Monatsrente auszahlen muss.» Trübe Aussichten für die zweite Säule im Licht der ersten Säule!

Man darf die beiden Säulen nicht gegeneinander ausspielen. Beide sind wichtig. Aber es ist richtig: Der Druck bei der AHV ist gross. In den nächsten Jahren gehen die letzten Jahrgänge der Babyboomer-Generation in Rente. Diese demografische Welle müssen wir finanzieren und gleichzeitig die AHV modernisieren. Und natürlich braucht es für die 13. AHV-Altersrente rasch eine Zusatzfinanzierung, so wie der Bundesrat dies fordert. In der zweiten Säule haben Pensionskassen, Arbeitgeber und Arbeitnehmer zudem die Möglichkeit, diverse Probleme selbst zu lösen. Viele tun das bereits. Sie warten nicht auf Vorgaben der Politik, sie kennen ihre Aufgabe und nehmen ihre Verantwortung wahr. Darin zeigt sich die Stärke der zweiten Säule.

Kritiker sagen, dass das gesetzliche Fundament der beruflichen Vorsorge weiterhin in Schieflage ist und es noch viele Jahre bleibt. Was antworten Sie?

Bei der Finanzierung der obligatorischen beruflichen Vorsorge stimmt diese Kritik für die BVG-nahen Kassen, aber Volksentscheide sind zu akzeptieren. Ansonsten funktioniert die zweite Säule aber gut, die allermeisten Pensionskassen machen ihre Arbeit sehr gut und sind stabil.

Trotzdem dürfte sich die zweite Säule weiterentwickeln: Das gesetzliche Obligatorium wird wohl an Bedeutung verlieren und viele Pensionskassen werden gezwungen sein, auf den überobligatorischen Bereich auszuweichen.

Richtig. Das ist in den letzten Jahren bereits geschehen, und dieser Trend dürfte auch noch weitergehen.

Neuerdings kann man sich rückwirkend in die Säule 3a einkaufen. Welche Ziele stecken hinter dieser Massnahme?

Der Bundesrat hat hier eine Motion des Parlaments umgesetzt, die den Bürgerinnen und Bürgern ermöglichen will, ihre private Vorsorge zu stärken. Wer nicht jedes Jahr den maximal zulässigen Beitrag in seine Säule 3a einbezahlt hat, kann diese Beiträge künftig bis zu zehn Jahre rückwirkend noch einzahlen. Erstmals im Steuerjahr 2026 für das laufende Jahr.

Gleichzeitig sorgt die geplante Steuererhöhung auf Kapitalbezüge aus der zweiten und dritten Säule für Verunsicherung. Was bezweckt der Bund mit diesem Schritt? Unter dem Strich wird so das freiwillige Vorsorgesparen teurer.

Es geht um die Beseitigung eines problematischen Fehlanreizes. Eine Rente bietet für die Versicherten langfristig mehr Sicherheit als ein einmaliger Kapitalbezug. Heute wird aber der Kapitalbezug gegenüber der Rente steuerlich bevorteilt. Diese Ungleichbehandlung ist ein wichtiger Grund, warum immer mehr Versicherte ihr Kapital beziehen. Die Expertengruppe um Serge Gaillard, den ehemaligen Direktor der Eidgenössischen Finanzverwaltung, hat 2024 vorgeschlagen, Rente und Kapitalbezug künftig gleich zu besteuern. Der Bundesrat ist diesem Vorschlag gefolgt. Ob er daran festhält, wird sich nach der Auswertung der Vernehmlassung zeigen. Unabhängig davon ist das private Vorsorgesparen aber attraktiv: Die Steuervorteile bei der Einzahlung in die zweite und dritte Säule bleiben bestehen.

Das BVG feiert dieses Jahr seinen 40. Geburtstag: Was wünschen Sie ihm für die kommenden 40 Jahre?

Ich wünsche der zweiten Säule, dass sie eine starke Sozialversicherung bleibt und ihren Verfassungsauftrag erfüllen kann, nämlich die Fortsetzung der bisherigen Lebenshaltung in angemessener Weise. Darüber hinaus schätze ich die zweite Säule, weil sie ja auch ein schöner Beweis ist für die vertrauensvolle Zusammenarbeit zwischen den Sozialpartnern. Dass Arbeitgeber und Arbeitnehmer gemeinsam die Verantwortung tragen, ist eines der zentralen Merkmale unserer politischen Kultur. Ich wünsche mir, dass dieses konstruktive Miteinander trotz allen Veränderungen in der Arbeitswelt auch die nächsten 40 Jahre – und noch viel länger – Bestand hat.

Interview: Norman Bandi

Zur Person

Elisabeth Baume-Schneider (61) wurde für die SP Schweiz am 7. Dezember 2022 in den Bundesrat gewählt. 2023 stand sie dem Eidgenössischen Justiz- und Polizeidepartement (EJPD) vor. Seit dem 1. Januar 2024 leitet sie das Eidgenössische Departement des Innern (EDI). Von 2019 bis 2022 vertrat sie den Kanton Jura im Ständerat. Sie ist verheiratet und hat zwei erwachsene Kinder.

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