Schlechte Zeiten für Julius Bär: Die Schweizer Privatbank könnte in Deutschland einen mittleren zweistelligen Millionenbetrag verlieren. (Adobe Stock)

Finanzen
14.10.2025 | nzz.ch
Der Schweizer Privatbank Julius Bär drohen Kreditausfälle in Millionenhöhe durch eine deutsche Immobilienpleite
Ende Januar hat die Deutsche Grundbesitz Holding AG (Degag) Insolvenz angemeldet. Jetzt stellt sich heraus, dass Julius Bär zu den Top-Kreditgebern gehörte. Für die Bank geht es um 48 Millionen Euro.
In Deutschland sind in den vergangenen Jahren viele Immobilienfirmen in Schwierigkeiten geraten. Zu den bekanntesten Fällen zählen die Signa-Gesellschaften des österreichischen Investors René Benko und die Adler-Gruppe. Ende Januar dieses Jahres meldete zudem die Deutsche Grundbesitz Holding AG (Degag) Insolvenz an.
Wie das «Handelsblatt» nun berichtet, war die Schweizer Privatbank Julius Bär einer der grossen Kreditgeber der Degag. Laut dem vorläufigen Gutachten des Insolvenzverwalters Rainer Eckert, aus dem die Zeitung zitiert, hat Julius Bär Forderungen über 48 Millionen Euro angemeldet.
Degag kaufte und sanierte Immobilien
Gegenüber der NZZ bestätigte die Bank am Montag, einer privaten Unternehmensgruppe Hypothekarkredite in einem höheren zweistelligen Millionenbereich in Franken zur Finanzierung von Wohnliegenschaften in Deutschland gewährt zu haben.
Einzelne Kreditnehmer dieser Gruppe befänden sich inzwischen in finanziellen Schwierigkeiten, hiess es weiter. Weitere Angaben machte die Bank mit Verweis auf das Bankgeheimnis nicht. Dem Vernehmen nach traten sowohl die Schweizer Bank Julius Bär als auch – in geringerem Umfang – die Julius Bär Deutschland AG als Kreditgeber auf.
Die Hamburger Degag-Gruppe hatte sich darauf spezialisiert, alte Wohnblöcke mit hohen Leerstandsquoten zu kaufen, zu sanieren und wieder zu verkaufen oder zu vermieten. Zuletzt sollen sich rund 5000 Wohnungen und 1000 Garagen im Portfolio der Degag befunden haben. Die Immobilienfirma wurde lange Zeit vom Unternehmer Birger Dehne geprägt, der sich jedoch 2021 zurückzog, zumindest offiziell.
Bereits kurz vor Weihnachten 2024 hatte die Gesellschaft für ihre Anleger eine alles andere als frohe Botschaft parat: Die Degag stellte zu diesem Zeitpunkt die Zins- und Rückzahlungen für eine grosse Anzahl von Investoren «bis auf weiteres» ein. Davon betroffen waren rund 4700 Anleger, die rund 280 Millionen Euro investiert hatten.
6300 Anleger bangen um ihr Geld
Ein grosses Kreditinstitut sei bei der Refinanzierung des Wohnungsbestands abgesprungen, sagte der Degag-Vorstand Bernd Klein damals gegenüber dem «Handelsblatt». Ein Ersatz sei nicht gefunden worden und eine Brückenfinanzierung sei geplatzt. Ob es sich bei dem Kreditinstitut um Julius Bär gehandelt hatte, ist nicht bekannt.
Laut Medienberichten finanzierte sich die Degag über Bankkredite sowie sogenannte Genussrechte, die Privatanleger zeichnen konnten. Die Rendite des Investments soll zwischen 6 und 9 Prozent pro Jahr gelegen haben. Diese hohe Rendite ging offenbar auch mit einem hohen Risiko einher, wie sich in der Folge zeigte.
Ende Januar meldete die Degag schliesslich Insolvenz für die Dach-Holding und verschiedene Tochtergesellschaften an. Zu diesem Zeitpunkt war von 6300 Anlegern die Rede, die um ihren gesamten Einsatz fürchten mussten. Inwieweit aus der Insolvenzmasse noch Geld zu retten ist, ist derzeit unklar. Der Insolvenzverwalter steuert laut Medienberichten eine Abwicklung der Gesellschaft an.
Für Julius Bär ist der neuerliche Reinfall mit Krediten für ein Immobilienunternehmen mindestens peinlich. Die Privatbank musste bereits Kredite in Höhe von knapp 600 Millionen Franken (über 600 Millionen Euro) abschreiben, die sie einst an René Benko beziehungsweise Unternehmen des Signa-Konzerns vergeben hatte.
Zweifel am Risikomanagement der Bank
Der Fall stürzte Julius Bär in eine Krise und warf Fragen zum Risikomanagement der Bank auf. Im Lauf der Affäre hatte zuerst der Konzernchef Philipp Rickenbacher und später auch der Verwaltungsratspräsident Romeo Lacher das Institut verlassen.
Die Degag-Insolvenz weckt nun erneut Zweifel am Risikomanagement der Bank. Das hat vor allem auch mit dem eingangs genannten Unternehmer Birger Dehne zu tun. Er hatte sich 2021 weitgehend aus dem Geschäft der Degag zurückgezogen, nachdem ein kanadischer Investor die Hälfte der Vermögenswerte übernommen hatte.
Laut dem «Handelsblatt» legen interne E-Mails jedoch nahe, dass Banker von Julius Bär dennoch jahrelang mit Dehne die Geschäfte des Degag-Konzerns besprachen, ohne dass dieser offenbar dazu autorisiert gewesen wäre.
Im Gutachten des Insolvenzverwalters heisse es: «Die Organe der Gesellschaft und weitere Dritte wollen ausschliesslich auf Anweisung von Herrn Dehne gehandelt haben.» Er werde als «Initiator und faktischer Geschäftsleiter» dargestellt. Dehne hat diese Sichtweise gegenüber dem Insolvenzverwalter offenbar ausdrücklich zurückgewiesen und nur eine beratende Funktion eingeräumt.
Heute vermarktet sich Dehne auf seiner Website Immobilienroutinier.de als einer der grössten privaten Wohnungseigentümer Deutschlands, der sein Vermögen und seine Immobilienportfolios durch sein Single-Family-Office in Liechtenstein verwalte, die Birger Dehne AG.
Konzentration auf das Kerngeschäft
Bei Julius Bär sieht man den Fall wohl eher als Altlast. Die Bank hatte bereits im Mai Kreditrückstellungen in Höhe von 130 Millionen Franken bekanntgegeben. Diese betrafen Kunden in der Schweiz und anderen europäischen Ländern sowie bestimmte ausgewählte Positionen im Hypothekenportfolio und im verbliebenen Private-Debt-Kreditportfolio.
Das neue Management hatte bei einem Strategie-Update im Juni dann angekündigt, das Risikoprofil unter anderem durch die Fokussierung auf das Kerngeschäft Wealth-Management anzupassen. Dabei soll das Kreditgeschäft künftig ausschliesslich auf Lombard- und Hypothekarkredite für Wealth-Management-Kunden konzentriert sein.

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