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Ausländische Arbeitskräfte waren für die Schweiz ein Konjunkturpuffer. Sie sind es immer noch – ein bisschen

Anders als früher die Saisonniers haben viele Zuwanderer heute unbefristete Arbeitsverträge. In Konjunkturflauten wird Arbeitslosigkeit weniger exportiert. (Adobe Stock)

Ausländische Arbeitskräfte waren für die Schweiz ein Konjunkturpuffer. Sie sind es immer noch – ein bisschen

Wirtschaft

25.8.2025 | nzz.ch

Ausländische Arbeitskräfte waren für die Schweiz ein Konjunkturpuffer. Sie sind es immer noch – ein bisschen

Die Schweizer Wirtschaft läuft nach dem Zollschock verhalten; die Erwerbslosigkeit hat leicht zugenommen. Dennoch bleibt die Zuwanderung positiv. Wirkt der alte Mechanismus nicht mehr?

Ausländische Arbeitskräfte waren für die Schweiz lange ein bequemer Konjunkturpuffer. Im Aufschwung wurde Personal aus dem Ausland rekrutiert. Im Abschwung verloren zuerst die Ausländer den Job. Häufig endete mit dem Arbeitsverhältnis auch ihre Aufenthaltsgenehmigung. Die Menschen, vielfach Saisonniers, kehrten in ihre Heimat zurück. In den Schweizer Arbeitslosenstatistiken tauchten die Rückkehrer nicht mehr auf. Der Mechanismus funktionierte effizient und ohne Mitleid.

Kontingente wirkten als abrupte Bremsen

Heute ist die Realität eine andere. Fast scheint es, als würde sich die Zuwanderung nicht von der flauen Wirtschaftslage beeindrucken lassen. Haben die ausländischen Arbeitskräfte ihre unfreiwillige Rolle als Konjunkturpuffer abwerfen können? Und ist das schlecht für die Schweiz?

Diesen Eindruck mag bekommen, wer sich die jüngsten Zahlen zu Konjunktur, Zuwanderung und Erwerbslosigkeit anschaut. Ein genauerer Blick allerdings zeigt: Ganz so einfach ist es nicht. Der Mechanismus wirkt weiterhin, aber nicht mehr so abrupt. Der Arbeitsmarkt hat sich weiterentwickelt – und genau darin liegt auch eine seiner Stärken.

Zur Konjunktur: Die Wirtschaft zittert zwar, doch das erst seit kurzem. Im ersten Quartal wuchs die Schweizer Wirtschaft noch um ordentliche 0,8 Prozent. Die Zoll-Eskapaden von US-Präsident Trump lösten jedoch im zweiten Quartal eine schnelle Bremswirkung aus, das Wachstum sackte gemäss der Blitz-Schätzung des Staatssekretariats für Wirtschaft auf 0,1 Prozent ab. Mit dem weiterhin ungelösten Zollstreit dürfte 2025 allerdings wirtschaftlich ein schwieriges Jahr werden.

Ausländer sind auf dem Arbeitsmarkt verletzlicher

In dieser Situation ist die Erwerbslosenquote im zweiten Quartal von 4,0 Prozent im Vorjahreszeitraum auf 4,6 Prozent gestiegen. Das ist nicht nichts, dennoch bleibt die Situation für die Arbeitnehmer grundsätzlich gut. Die vom Seco berechnete Arbeitslosenquote verharrte im Juli bei 2,7 Prozent.

Trotz der Eintrübung am Arbeitsmarkt wanderten im ersten Halbjahr 2025 netto 34 171 Personen in die Schweiz ein, wie das Bundesamt für Migration in der vergangenen Woche bekanntgab. Wer die Migration für zu hoch hält, dürfte sich durch diese Zahlen bestätigt sehen. Schliesslich bleibt die Zuwanderung in die Schweiz verglichen mit anderen Ländern substanziell.

Allerdings wanderten von Januar bis Juni 2025 netto 6792 Personen weniger ein als im gleichen Zeitraum ein Jahr zuvor. Dieser Rückgang zeigt, dass mit nachlassender Konjunktur die Nachfrage nach ausländischen Arbeitskräften sehr wohl zurückgeht, und das, obwohl der Arbeitsmarkt normalerweise erst mit einer gewissen Verzögerung auf Konjunkturschwankungen reagiert. Sollte sich die Konjunktur weiter eintrüben, dürfte auch die Zuwanderung weiter zurückgehen.

Fakt ist aber auch, dass der Prozess nicht mehr so schnell abläuft wie in der Vergangenheit. Seit dem Inkrafttreten der Personenfreizügigkeit im Jahr 2002 verläuft die Arbeitsmigration kontinuierlicher, während früher Kontingente und Bewilligungsstopps in Abschwüngen rasch bremsten. Für die Schweizer Firmen bringt das mehr Planbarkeit und Autonomie. Sie müssen nicht fürchten, dass die Behörden ihren Wunschkandidaten die Arbeitsbewilligung vorenthalten.

Gut Qualifizierte haben stabile Arbeitsverhältnisse

Ausländer mit eher geringeren Qualifikationen arbeiten heute vielfach in der Hotellerie und der Gastronomie. Die Fluktuation ist hier relativ hoch. Wenn das Geschäft schlecht läuft, wird ein Kellner schneller entlassen als ein spezialisierter Forscher, den man später nur schwer wieder ersetzen kann. Das ist einer der Gründe für die höhere Erwerbslosenquote der ausländischen Wohnbevölkerung. Diese ist mit 7,7 Prozent deutlich höher als bei den Schweizerinnen und Schweizern (3,3 Prozent).

Früher mussten Saisonniers ihre Frauen und Kinder oftmals in der Heimat zurücklassen. Verloren sie hierzulande ihren Job, hielt sie nicht mehr viel in der Schweiz. Diesen unmenschlichen Zustand wünscht heute niemand mehr zurück. Wer schulpflichtige Kinder hat, reagiert nicht mehr zyklisch auf Wirtschaftslagen.

Das zeigt: Die Anpassung geschieht heute eher über Arbeitslosigkeit als über Rückwanderung. Noch immer aber sind Inländer auf dem Arbeitsmarkt stabiler und ausländische Arbeitskräfte verletzlicher. Dabei sind die Menschen aus den EU-/Efta-Staaten mit einer Erwerbslosenquote von 5,9 Prozent deutlich besser in den Arbeitsmarkt integriert als Staatsangehörige aus Drittländern. Ihre Erwerbslosenquote liegt derzeit bei 12,1 Prozent.

Geändert hat sich aber auch das Profil der Zuwanderer. Neben den Geringqualifizierten arbeiten heute viele ausländische Arbeitnehmer in Berufen, für die man gut oder hoch qualifiziert sein muss. Statt befristeter Arbeitsverträge haben sie stabile Arbeitsverhältnisse. In den Wachstumsbranchen Pharma, Forschung und Gesundheit ist die Beschäftigung zudem weniger stark von der Konjunktur abhängig als beispielsweise in der früher wichtigeren Bauwirtschaft.

Selbst bei schwachem Wachstum bleibt die Nachfrage nach Arbeitskräften hoch, weil wegen der alternden Bevölkerung viele Pensionierungen anstehen. Auch das trägt dazu bei, dass die Zuwanderung bei einem Einbruch der Wirtschaft weniger schnell einknickt als früher.

Christin Severin, «Neue Zürcher Zeitung»

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