Die Gesetzesrevision stärkt die Position von Käufern und Bestellern im Gewährleistungsrecht bei Baumängeln deutlich. (Adobe Stock)
Recht
20.11.2025 | Digital Lawyer
OR-Revision 2026: Neues Nachbesserungsrecht und längere Rügefristen bei Baumängeln
Ab 1. Januar 2026 tritt eine Revision des Obligationenrechts in Kraft, die das Gewährleistungsrecht bei Baumängeln zugunsten von Käufern und Bestellern stärkt.
Die Erstellung von Bauten ist komplex und involviert regelmässig eine Vielzahl von Akteuren in verschiedenen Vertragsverhältnissen. Diese Vertragsverhältnisse können unter anderem unter die Regeln des Werkvertragsrechts und des Kaufrechts fallen. Liegen Baumängel vor, ist grundsätzlich das jeweils anwendbare Gewährleistungsrecht massgebend.
Das zurzeit noch geltende werkvertragliche und kaufvertragliche Gewährleistungsrecht ist durch eine strikt angewandte Rügeobliegenheit geprägt: Mängel müssen grundsätzlich innerhalb weniger Tage nach deren Entdeckung gerügt werden. Diese strenge Regelung ist für Bauherren und Käufer oftmals kaum praktikabel, was zur Folge hat, dass ihre Mängelrechte verwirken. Zudem ermöglicht das geltende Recht Verkäufern und Unternehmern bislang, die Mängelrechte weitgehend vertraglich auszuschliessen.
In der Praxis sind Klauseln weit verbreitet, die eine Wegbedingung der Mängelhaftung mit einer Abtretung von Rechten gegenüber Planern, Subunternehmern etc. kombinieren. Solche Regelungen führen häufig zu einer Benachteiligung der Käufer und Bauherren.
Nachbesserungsrecht im Kauf- und Werkvertragsrecht
Die bislang verbreitete Praxis, dass Verkäufer ihre Gewährleistungspflichten in Grundstückkaufverträgen vollumfänglich wegbedingen und nur eine Abtretung der ihnen gegenüber den am Bau beteiligten Planern, Unternehmern, Lieferanten etc. zustehenden Gewährleistungsrechte vorsehen, führt oftmals zu einer deutlichen Schwächung der Position von Käufern.
Mit der Revision wird dieser Problematik begegnet, indem in bestimmten Konstellationen ein zwingendes Nachbesserungsrecht eingeführt wird. Das Konzept des Nachbesserungsrechts war bisher lediglich im Werkvertragsrecht vertreten.
Per 1. Januar 2026 statuiert das Kaufrecht in Art. 219a Abs. 2 nOR neu ebenfalls einen Anspruch auf unentgeltliche Verbesserung der Baute eines Grundstücks. Ziel der Nachbesserung ist es, den vertragsgemässen Zustand wiederherzustellen.
Voraussetzung für das Recht auf Nachbesserung beim Grundstückkauf ist, dass die Baute entweder noch zu errichten ist oder weniger als zwei Jahre vor dem Verkauf errichtet wurde. Andere Konstellationen werden nicht erfasst. Der Mangel muss die Baute betreffen; andernfalls besteht kein Nachbesserungsrecht.
Als Baute gilt jede mit dem Boden fest und dauerhaft verbundene Vorrichtung. Nicht darunter fallen beispielsweise Fahrnisbauten oder reine Umgestaltungen des Erdbodens.
Gemäss Art. 219a Abs. 2 nOR untersteht das Nachbesserungsrecht den Bestimmungen über den Werkvertrag. Entsprechend muss die Nachbesserung objektiv möglich sein und dem Verkäufer keine übermässigen Kosten verursachen.
Das neu einzuführende Nachbesserungsrecht ist zwingend, das heisst, es kann nicht vorab beschränkt oder wegbedungen werden (vgl. Art. 219a Abs. 2 nOR i. V. m. Art. 368 Abs. 2bis nOR). Das Nachbesserungsrecht besteht im Werkvertragsrecht bereits heute. Mit der Revision wird dieses für Mängel an Bauten neu ebenfalls zwingend ausgestaltet (Art. 368 Abs. 2bis nOR). Die Wegbedingung der übrigen Mängelrechte bleibt unter den allgemeinen Schranken weiterhin zulässig.
«Die Gesetzesrevision stärkt die Position von Käufern und Bestellern im Gewährleistungsrecht bei Baumängeln deutlich.»
Die Revision reagiert damit auf eine in der Praxis verbreitete Vertragsgestaltung. Die zwingende Natur des Nachbesserungsrechts bei Baumängeln führt nun dazu, dass die bisher gängigen Klauseln zur Wegbedingung der Mängelrechte in Kombination mit der Abtretung von Gewährleistungsrechten gegenüber Dritten – zumindest in den genannten Konstellationen – künftig nicht mehr zulässig sind. Damit wird eine verbreitete, für Käufer und Bauherren oft nachteilige Vertragspraxis unterbunden.
Neuerungen im Gewährleistungsrecht
«Die neue zwingende Rügefrist von sechzig Tagen erleichtert die bisher teils unpraktikable Mängelrüge in der Praxis.»
In Art. 368 Abs. 2 nOR wurde zudem ein Verweis auf Art. 366 Abs. 2 OR ergänzt, der die bisherige Rechtsprechung kodifiziert: Bereits nach geltender Praxis des Bundesgerichts konnte der Besteller bei unterlassener Nachbesserung innerhalb angemessener Frist die Verbesserung ohne richterliche Ermächtigung selbst vornehmen und die Kosten vom Unternehmer zurückverlangen – dies wird nun ausdrücklich gesetzlich geregelt.
Revision der Verjährungs- und Rügefristen
Die Revision bringt eine grundlegende Änderung des bislang geltenden Rügeregimes, welches eine rasche Anzeige des Mangels verlangt. Die geltende Regelung hat zur Folge, dass in der Praxis meist innerhalb weniger Tage nach Entdeckung des Mangels gerügt werden muss. Dieses strenge Rügeregime ist für Käufer und Besteller oftmals nur schwer praktikabel und kann zur Verwirkung sämtlicher Mängelrechte führen.
Mit der Revision wird in bestimmten Konstellationen eine gesetzliche Rügefrist von sechzig Tagen eingeführt. Gemäss Art. 219a Abs. 1 nOR gilt diese neue Frist von sechzig Tagen sowohl für offene als auch für verdeckte Mängel beim Grundstückkauf. Art. 201 Abs. 4 nOR sieht dieselbe Frist im allgemeinen Kaufrecht vor, sofern Mängel einer Sache, die bestimmungsgemäss in ein unbewegliches Werk integriert wurde, die Mangelhaftigkeit des Werks verursachen. Die Vereinbarung kürzerer Fristen in diesen Konstellationen ist unwirksam.
Auch im Werkvertragsrecht beträgt die Rügefrist gemäss Art. 367 Abs. 1bis nOR und Art. 370 Abs. 4 nOR neu sechzig Tage, sofern der Mangel ein unbewegliches Werk betrifft oder die Mangelhaftigkeit eines unbeweglichen Werks verursacht wurde durch entweder einen Mangel eines beweglichen Werks, das bestimmungsgemäss in das unbewegliche Werk integriert wurde, oder durch einen Mangel eines Werks eines Architekten oder Ingenieurs, das bestimmungsgemäss als Grundlage für die Erstellung des unbeweglichen Werks verwendet wurde.
Die Vereinbarung einer kürzeren Frist ist unwirksam. Die Frist zur Mängelrüge beginnt im Werkvertragsrecht grundsätzlich mit dem Abschluss der Prüfung, die der Besteller nach Ablieferung des Werkes vorzunehmen hat (Art. 367 OR). Bei verdeckten Mängeln beginnt die Frist mit deren Entdeckung.
In der Praxis wird bei Bauwerkverträgen häufig die SIA-Norm 118 als Allgemeine Bedingungen in den Vertrag übernommen. Das in der SIA-Norm 118 vorgesehene Rügeregime sieht unter anderem vor, dass verdeckte Mängel, welche erst nach Ablauf der zweijährigen Rügefrist entdeckt werden und bei der Prüfung nicht hätten erkannt werden können, sofort nach deren Entdeckung gerügt werden müssen (Art. 179 SIA-Norm 118). Diese Regelung ist mit der neuen teilzwingenden Rügefrist von sechzig Tagen unvereinbar. Es wäre daher zu begrüssen, wenn die SIA-Norm 118 an die ab dem 1. Januar 2026 geltende gesetzliche Regelung angepasst würde.
Ferner wurden auch die Bestimmungen zu den Verjährungsfristen im Rahmen der Teilrevision angepasst: Die bereits geltende fünfjährige Frist für Mängelansprüche beim Grundstückkauf (Art. 219a Abs. 3 nOR) sowie bei Werkverträgen über unbewegliche Werke oder in solche integrierte bewegliche Werke (Art. 371 Abs. 3 nOR) ist neu zwingend; eine vertragliche Verkürzung zu Lasten des Käufers oder Bestellers ist ab 1. Januar 2026 nicht mehr zulässig.
Ausblick
Die revidierten Bestimmungen finden gemäss den allgemeinen Übergangsbestimmungen auf Verträge Anwendung, die ab dem 1. Januar 2026 abgeschlossen werden; für bestehende Verträge gilt weiterhin das bisherige Recht.
Die Verlängerung der Rügefrist sowie die Einführung eines unverzichtbaren Nachbesserungsrechts in bestimmten Konstellationen stärkt die Rechtsstellung von Käufern und Bestellern. Mögliche Abgrenzungsschwierigkeiten zwischen Kauf- und Werkvertragsrecht verlieren zudem insofern an Bedeutung, als die Revision eine Angleichung der Gewährleistungsregime in beiden Vertragstypen mit sich bringt.
Aufgrund der teilweise zwingenden Ausgestaltung der neuen Bestimmungen können Anpassungen bestehender Vertragsvorlagen für Grundstückkauf- und Bauwerkverträge erforderlich werden.
«Ab 2026 dürfen Mängelrechte in bestimmten Fällen nicht mehr vertraglich ausgeschlossen werden.»
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