KMU-Vertreter halten im November im Bundeshaus eine Sondersession ab. (Adobe Stock)
Wirtschaft
31.10.2025 | nzz.ch
Nach den Jugendlichen und den Frauen erhalten nun auch die KMU ihre Sondersession im Bundeshaus
Im November tagt ein neues Parlament – das KMU-Parlament mit 46 Firmenvertretern. Rund achtzig Vorstösse von den Neo-Parlamentariern liegen zur Debatte bereit.
Die Jugendlichen haben einmal im Jahr ihre «Jugendsession» im Bundeshaus. Auch Frauensessionen haben das Gebäude schon belegt. Im November marschiert ein neues Parlament im Bundeshaus ein: das «KMU-Parlament». Veranstalterin ist «NZZ Connect», die für Konferenzen zuständige Tochter der NZZ-Gruppe. Die Idee ist laut der Veranstalterin in einem Gespräch von NZZ Connect mit dem Zürcher FDP-Nationalrat Andri Silberschmidt entstanden. Es gehe bei diesem Projekt darum, Brücken zu bauen zwischen den KMU und der Politik.
Man würde glauben, es gäbe schon viele Brücken. Die KMU gehören – wie auch der «Mittelstand» – zu den Säulenheiligen der Politik. Das Kürzel steht für «kleine und mittlere Unternehmen», definiert als Betriebe mit bis zu 250 Angestellten. KMU stellen in der Schweiz über 99 Prozent aller Unternehmen und beschäftigen rund zwei Drittel aller Angestellten in der Marktwirtschaft. Die gängige Übersetzung dieser Zahlen in einen Spruch haben gute Schweizer mit der Muttermilch verinnerlicht: «KMU sind das Rückgrat der Wirtschaft.»
Stark verankert
So wollen zumindest in der politischen Sonntagsschule nicht einmal Linke dabei gesehen werden, wie sie auf den KMU herumtrampeln. In den bürgerlichen Parteien spielen KMU-Interessen traditionell eine wichtige Rolle. Bürgerliche Politiker sind stark involviert im Gewerbeverband, der Dachorganisation der KMU. Als Verbandspräsident amtet derzeit der Tessiner Mitte-Ständerat Fabio Regazzi.
Zu den registrierten parlamentarischen Gruppen der Bundesversammlung gehört auch eine Gruppe, die sich spezifisch für KMU-Interessen einsetzt. Die Mitgliederliste enthält immerhin 27 Namen. Zudem gibt es seit 1998 das vom Bundesrat eingesetzte «KMU-Forum» – eine ausserparlamentarische Kommission, welche die KMU-Interessen in regelmässigen Treffen mit den Bundesämtern einbringt und Stellungnahmen zu geplanten Gesetzes- und Verordnungsänderungen abgibt.
Trotz all diesen Brücken gehören die Klagen aus der KMU-Schweiz weiterhin zum Inventar auf der Bundesberner Politikbühne: Die Regulierung nimmt zu statt ab, die Beschäftigung wächst im Staatssektor schneller als in der Privatwirtschaft, und die Fiskalabgaben wachsen mindestens so schnell wie die Gesamtwirtschaft.
Das KMU-Parlament soll zeigen, wo den Unternehmern am meisten der Schuh drückt. Laut der Veranstalterin hat eine Jury aus über 500 Bewerbungen 46 KMU-Parlamentarier gewählt. Diese haben total rund achtzig Vorstösse ausgearbeitet, die das KMU-Parlament an zwei Tagen durcharbeiten soll. Am ersten Arbeitstag – dem 7. November – sollen sechs Arbeitsgruppen die Vorstösse verfeinern, aussieben oder akzeptieren. Die überlebenden Vorstösse werden am 17. November im Plenum beraten, darauf folgen Abstimmungen.
Hilfe von Profis
Für die politische Realitätsnähe sollen rund ein Dutzend «richtige» Bundesparlamentarier sorgen, die ihre Mitarbeit zugesagt haben. Die Liste der mitwirkenden Wirtschaftspolitiker enthält nebst Bürgerlichen und Grünliberalen auch vier Exponenten der Linksparteien. Angenommene Vorstösse sollen als Petitionen ins «richtige» Parlament kommen.
Doch was wollen die KMU-Parlamentarier genau? Das Bündel der Vorschläge deckt viele Themen ab, doch vor allem drei Schwerpunkte stechen ins Auge:
- Regulierung/Fiskalbelastung: Mehrere Vorstösse verlangen regelmässige Parlamentssessionen, die nur der Überprüfung und dem Abbau von bestehenden Vorschriften gewidmet sind. Auch eine Regulierungsbremse nach dem Motto «One in, two out» wird gefordert. Ebenso wie ein «KMU-Verträglichkeitstest» bei neuen Regulierungsvorschlägen. Mehrere Vorstösse verlangen zudem die Festlegung einer Obergrenze für die Fiskalquote: Die Summe der Steuern und der Sozialversicherungsabgaben soll höchstens 25 Prozent der jährlichen Wirtschaftsleistung betragen. Das entspräche etwa dem Niveau von 1995. Zum Vergleich: 2026 dürfte die effektive Fiskalquote laut Bundesprognose 27,5 Prozent betragen; die Differenz zum geforderten Deckel macht über 20 Milliarden Franken aus. Viel Sparpotenzial orten die Kritiker bei den «wuchernden» Bundessubventionen und den Kosten für das Staatspersonal.
- Subventionen: Die Kritik an den Subventionen gilt natürlich nicht, wenn diese den KMU zugutekommen. So fordern diverse Vorstösse KMU-Subventionen. Dies etwa via Steuervergünstigungen (Steuerbefreiung für reinvestierte Gewinne oder Steuergutschriften, gemessen am Exportvolumen oder an inländischen Arbeitsplätzen einer Firma); via Bevorzugung bei öffentlichen Ausschreibungen (durch KMU-Quote oder generelle Berücksichtigung der inländischen Wertschöpfung); via Verdoppelung der Gelder für die Innovationsförderagentur Innosuisse; via neuen Bundesfonds zur Abfederung der Frankenstärke für exportierende KMU; via neuen Innovationsfonds für Investitionen in Jungfirmen. Und ja: Auch via Förderung des Agro- und Weintourismus in der Schweiz sowie der Weinexporte. Noch besser: Der Wein soll laut einem Vorstoss als offizielles Kulturgut im Sinn des Kulturgüterschutzgesetzes anerkannt werden.
- Arbeitsanreize: Diverse Vorstösse verlangen Steuervergünstigungen für Erwerbstätigkeit über das ordentliche Rentenalter hinaus sowie generell für Arbeitseinkommen aus Vollzeitstellen.
Futter zum Debattieren
Auch einige exotisch erscheinende Vorstösse dürfen nicht fehlen. Wie etwa jener, die Pauschalbesteuerung für ausländische Reiche in der Schweiz abzuschaffen und dafür im Gegenzug dauerhaft auf Erbschaftssteuern zu verzichten. Doch wie kann man das Volk dazu verpflichten, bis ans Ende der Zeit alle künftigen Erbschaftssteuerinitiativen abzulehnen?
Ins Auge sticht auch der Vorstoss, wonach mindestens zwei Drittel aller National- und Ständeräte mehr als 60 Prozent ihres steuerbaren Einkommens aus der Privatwirtschaft beziehen müssen – und dies ohne Berücksichtigung von Einkommen aus Verwaltungsratsmandaten. Die möglichen Folgen einer solchen Regel wären ein abendfüllendes Thema.
Das KMU-Parlament wird jedenfalls eine Menge zu debattieren haben. So soll es sein: Der Name «Parlament» ist Programm.
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