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Schweizer Wirtschaft im Zollschock: KMU müssen mutig im Ausland auf Einkaufstour gehen

Ein Standbein im Ausland sollte für kleine und mittlere Unternehmen wichtiger werden. (Adobe Stock)

Schweizer Wirtschaft im Zollschock: KMU müssen mutig im Ausland auf Einkaufstour gehen

Wirtschaft

15.8.2025 | nzz.ch

Schweizer Wirtschaft im Zollschock: KMU müssen mutig im Ausland auf Einkaufstour gehen

Um Zölle auf Waren aus der Schweiz zu umgehen, empfiehlt sich eine Produktion im Ausland. Und es gibt weitere Vorteile. Auch kleinere Firmen sollten die Chance des starken Frankens nutzen.

Ein Blick auf die Börse lässt glauben, der Zollstreit mit den USA könne der Schweizer Wirtschaft nichts anhaben. Der Eindruck täuscht: Das Drama spielt sich unter der Oberfläche ab – nicht bei den grössten Konzernen des Landes, die im Leitindex SMI zusammengefasst sind. Sondern bei den kleinen und mittleren Unternehmen (KMU), die an keiner Börse kotiert sind, aber das Rückgrat der Wirtschaft bilden.

Jene Industrie-KMU, die viel in die USA verkaufen, werden von einem 39-Prozent-Zoll schwer getroffen. Hingegen sind Schweizer Weltkonzerne entweder direkt in den USA mit eigenen Werken präsent oder global an so vielen Standorten vertreten, dass sie Produktion aus Ländern mit tiefen US-Zöllen umleiten können.

Kleine Firmen, die nur in der Schweiz herstellen, haben diesen Vorteil nicht. Aber vielleicht können das manche von ihnen ändern.

Small ist beautiful – aber es reicht nicht

Ein Drittel der Schweizer KMU erwirtschaftet drei Viertel des Umsatzes im Ausland, das zeigte vergangenes Jahr eine Studie der Hochschule für Wirtschaft Freiburg. Selbst wenn die Firmen nur als Zulieferer für andere Schweizer Hersteller agieren: Die Chance ist sehr hoch, dass dann diese Unternehmen ins Ausland verkaufen. Der Inlandmarkt ist einfach klein.

Die Schweiz ist ein KMU-Land. Als solche gelten Firmen mit weniger als 250 Beschäftigten. Was darüberliegt, ist ein Grossunternehmen. In Deutschland und Frankreich arbeiten über 40 Prozent der Beschäftigten in solchen Grossunternehmen. In der Schweiz ist es ein Drittel. Stattdessen sind 3,2 Millionen Schweizerinnen und Schweizer bei KMU angestellt. Und auch diese KMU sind im europäischen Vergleich eher klein.

Small is beautiful – wer wüsste das besser als die Schweiz. Kleine Unternehmen können besonders agil und innovativ sein, weil die Wege kurz sind, Entscheide schneller getroffen werden und keine interne Verwaltung bremst.

Doch auch ohne Zölle zahlen die KMU einen Preis, um aus der Schweiz zu exportieren: hohe Kosten und Löhne sowie der starke Franken mindern ihre Wettbewerbsfähigkeit im Ausland. Nur über Effizienz und Innovation lässt sich gegensteuern. Für die internationalen Kunden muss ein Schweizer Produkt so viel besser sein, wie es teurer ist.

Ein Zukauf ist der schnellste Weg ins Ausland

Das macht es in Zoll-Zeiten umso wertvoller, im Ausland eine zusätzliche Produktion aufzubauen – sei es in Eigenregie, also durch die Errichtung eines Werks, oder durch den Kauf eines Konkurrenten im Ausland. Letzteres kann sich empfehlen, denn die Akquisition ist der schnellste Weg, im Ausland präsent zu sein: Bestehende Fabriken können übernommen und dann erweitert werden.

Jetzt ist die Zeit für Schweizer KMU, mutiger ins Ausland zu schauen. Die Zahl ihrer Fusionen und Übernahmen jenseits der Grenze sank vergangenes Jahr laut der Wirtschaftsberatung Deloitte leicht um 1,4 Prozent. Ein Fünftel der Geschäfte entfiel auf Ziele in Deutschland, nur knapp 9 Prozent auf die USA. Die Zahl der Transaktionen hatte sich seit dem Corona-Einschnitt gut erholt – aber dann schlug offenbar die Schweizer Vorsicht wieder zu.

Vorsicht ist angesichts der unsicheren Weltkonjunktur verständlich. Allerdings sind Akquisitionen derzeit dank dem starken Franken für Schweizer Käufer besonders günstig. Natürlich sollten Firmenchefs nichts übers Knie brechen. Doch wenn ein Unternehmen weiss, dass es langfristig auf die Märkte in den USA und Europa angewiesen ist, dürfte es sich jetzt lohnen, dort nach passenden Zielen Ausschau zu halten. Nicht zur Abwanderung, sondern zur Diversifizierung.

Damit eröffnet sich nicht nur eine Möglichkeit, Zölle auf Produkte aus der Schweiz zu umschiffen. Grösse bringt per se Grössenvorteile, weil sich die Kosten auf eine höhere Produktion verteilen. In der Krise die Chance zu suchen, mag ein optimistisches Ideal sein. Aber wer kein Optimist ist, sollte wohl kein Unternehmer werden.

Kommentar von Benjamin Triebe; «Neue Zürcher Zeitung»

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