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«Impact» im Linkedin-Post und «walk the talk» im CEO-Meeting: So erkennen Sie hohle Phrasen in der Arbeitswelt

Menschen greifen zu Floskeln, weil das Zeit spart und risikoarm ist. Kommunikationsexpertin Ivana Leiseder spricht über Worthülsen in der Business-Welt. (Symbolbild: Adobe Stock)

«Impact» im Linkedin-Post und «walk the talk» im CEO-Meeting: So erkennen Sie hohle Phrasen in der Arbeitswelt

Führung

9.8.2025 | nzz.ch

«Impact» im Linkedin-Post und «walk the talk» im CEO-Meeting: So erkennen Sie hohle Phrasen in der Arbeitswelt

Die Kommunikationsexpertin Ivana Leiseder entlarvt fünf Hotspots für Business-Worthülsen. Und erklärt, wie man aus schwammigen wieder klare Worte macht.

Türen werden zu «Eintritts-Lösungen», Badekappen zu «Haar-Management-Systemen». Firmen schreiben auf ihren Webseiten von «agiler Transformation», auf Linkedin liest man in jedem zweiten Beitrag die Worte «purpose» oder «impact».

Seit Jahren breitet sich ein schwammiger Business-Sprech in der Wirtschaftswelt aus. Die Sprache wird abstrakter, die Worte werden emotional aufgeladen, die Inhalte überhöht. Die Konzepte hört man im Startup wie im KMU oder Pharmakonzern. Da sie so allgemein formuliert sind, lassen sie sich zwar in verschiedenen Kontexten anwenden. Doch sie werden auch austauschbar und verlieren den Bezug zum Konkreten.

Ivana Leiseder ist Kommunikationsexpertin und arbeitete jahrelang in Marketing- und PR-Abteilungen bei grossen Konzernen. Dort stiess sie auf einen Schwall an Büro-Worthülsen. Leiseder nennt ihn ungeschönt «Bullshit».

Das Problem mit den hohlen Büro-Phrasen

«Unternehmen sind heute «agil» und «innovativ». Sie transformieren, sie verändern die Welt», sagt Leiseder. Die Kommunikation sei so aufgeblasen worden, dass die Leute gar nicht mehr wüssten, worum es eigentlich gehe.

Leiseder sagt: «Wir sprechen zunehmend in Buzzwords, die zwar gut klingen, aber nichts aussagen.» Im Oktober hielt sie an der TEDx-Konferenz in Zürich eine Rede darüber. Und traf einen Nerv. Die Rede wurde von der Organisation im Juli zu den weltweit besten gewählt, seither bekommt Leiseder haufenweise E-Mails von Menschen, die sich über die Büro-Worthülsen aufregen.

Leiseder identifiziert im Gespräch mit der «NZZ am Sonntag» fünf Situationen, in denen die Phrasen besonders häufig vorkommen. Und gibt Tipps, wie man stattdessen klarer kommuniziert.


1. Die CEO-Rede an der Mitarbeiterversammlung

«Wir denken Schoggi neu» oder «Wir denken WC neu»: Wenn der Chef in der Rede an der Mitarbeiterversammlung von grossen Vorhaben spricht oder im Sinne von «walk the talk» neue Massnahmen verkündet, schafft das laut Leiseder meist weder Verbundenheit, noch versprüht es Inspiration. Es stiftet vor allem Verwirrung.

Leiseder sagt: «Der verklärte Anspruch, die ganze Welt zu verändern, ist absurd. Das nimmt ihnen niemand ab.» Um glaubwürdig zu sein, sollten Führungskräfte nicht nur von abstrakten Visionen sprechen, sondern sich auf den konkreten Kontext beziehen. Also ansprechen, was gut lief und was nicht und was jetzt zu tun ist.

Alles sei so metaphysisch aufgeladen, dass man es als Mitarbeiterin gar nicht mehr wage, zu sagen, dass die Abrechnung der Fahrspesen nicht fair sei, sagt Leiseder. Chefinnen und Chefs, die wirklich zu ihren Mitarbeitenden durchdringen und sie einbeziehen wollen, sollten mehr auf deren Lebenswelt eingehen. Sie also fragen, was sie konkret beschäftigt. «Wenn man aufhört, alles in Watte zu packen, sind die Leute vielleicht auch irgendwann bereit, ehrlich zu sein und etwas zu sagen.»


2. Das Networking-Event

Am Networking-Event werden besonders viele nichtssagende Worthülsen vernommen. Für die Teilnehmenden ist es ein Balanceakt: Sie möchten sich möglichst in ein gutes Licht rücken, ohne anzugeben, sollen nahbar sein, aber nicht aufdringlich.

Um Risiken zu minimieren und sich keine Blösse zu geben, sprächen die meisten an solchen Events über Nichtssagendes, sagt Leiseder. Es fielen ständig dieselben Sätze. «Alle sind völlig benebelt davon, es ist eine Art ‹Opium-Kommunikation›.» Sie warteten darauf, dass etwas entstünde, eine Verbindung, etwas Inspirierendes. Aber wie könne so etwas entstehen, wenn die Aussagen völlig austauschbar seien?

Leiseder plädiert deshalb dafür, die Leute aufzurütteln: Man solle ihnen signalisieren, dass sie auch lustig oder frech sein und etwas Unbequemes sagen dürften. Indem man selber etwas Unerwartetes ausspreche. Sagten die Leute etwa, sie hätten den Vortrag spannend gefunden, könne man auch einfach mal ehrlich sein und sagen: «Ich fand es jetzt nicht so interessant. Meghan und Harry finde ich gerade spannender.»

Es gibt einen Grund, weshalb Menschen in Floskeln sprechen – gerade in der Arbeitswelt. Im Büroalltag herrscht Zeitdruck. Es gibt Calls und Deadlines, ständig müssen Dokumente abgegeben, Formulare ausgefüllt, Meetings abgehalten, von anderen Teams Okays eingeholt werden. Dazu kommt die konstante Beschallung: Hunderte E-Mails schieben sich pro Tag am rechten Bildschirmrand herein, mit diversen Pings und Plings springen einen die Benachrichtigungen auf den Kommunikationskanälen an.

«Es ist verständlich, dass wir wiederholen, was eh schon jeder sagt», erklärt Leiseder. Denn es spare Zeit. Und es sei risikoarm – man müsse sich schliesslich nicht mit einer abweichenden Meinung exponieren und riskieren, als Aussenseiter dazustehen. Leiseder hat das selbst erlebt. Immer wieder habe sie gehört, sie sei schwierig, weil sie direkt sei. Statt der Floskeln sagte sie ihre Meinung. Und eckte damit an.

Denn für Unternehmen sei Konformität praktisch. Es gebe weniger Reibung, sagt Leiseder. «Doch tatsächlich riskiert man Stillstand.»


3. Der Linkedin-Post

Wird am Networking-Event der Linkedin-Kontakt geknüpft, kommt schon die nächste Worthülsen-Falle. Die Floskeln verbreiten sich nämlich gerade in sozialen Netzwerken besonders gut.

Leiseder sagt, wenn sie in einem Post davon lese, dass jemand sich auf den «purpose» in seiner neuen Rolle freue und darauf, Wert zu generieren und Veränderung voranzutreiben, mache sie das ganz nervös. «Ich würde unter dem Post am liebsten das Rezept eines Quarkdips kommentieren. Oder das Foto eines Härdöpfelstocks.»

Wer auf Linkedin einen bleibenden – positiven – Eindruck machen wolle, solle versuchen, zu überraschen und konkret zu sein, sagt sie. Also beispielsweise etwas Witziges teilen, die Posts individuell schreiben. Und wegkommen von der abstrakten Ebene. «Leider werden oft Floskeln zusammenkopiert, die man eh schon den ganzen Tag liest.»

«Wir sprechen zunehmend in Buzzwords, die zwar gut klingen, aber nichts aussagen», sagt die Kommunikationsexpertin Ivana Leiseder.

«Wir sprechen zunehmend in Buzzwords, die zwar gut klingen, aber nichts aussagen», sagt die Kommunikationsexpertin Ivana Leiseder. Karin Hofer/NZZ


4. Die Unternehmens-Webseite

Auf den Webseiten der Unternehmen liest man grosse Worte. Es geht um Nachhaltigkeit, Vielfalt, Inklusion. Das sind wichtige Konzepte, denen sich Unternehmen widmen müssen, das findet auch Leiseder.

Die Firmen sollten jedoch überdenken, wie sie diese Themen nach aussen kommunizieren und überprüfen, ob sie sie nach innen auch leben. Leiseder sagt: «Es gibt Unternehmen, die mit der Regenbogenfahne durch die Bahnhofstrasse laufen. Und intern diskriminieren sie ihre Mitarbeitenden.»

Firmen seien mit die grössten Treiber des Klimawandels. Wenn sie sich allerdings mit ihrem Engagement für Nachhaltigkeit brüsteten und nach aussen kommunizierten, dass sie Plastikstrohhalme ausgetauscht oder ein paar Bäume gepflanzt hätten, sei das einfach zu wenig, sagt Leiseder. «Kurzfristige, oberflächliche Massnahmen ergreifen und aufbauschen ist nicht effektiv.» Würden Massnahmen nur für Marketingzwecke statt für die Lösung realer Probleme eingesetzt, sei das nicht sinnvoll.

Es sollte selbstverständlich sein, dass Firmen bei ihren Tätigkeiten ihren Einfluss auf den Klimawandel berücksichtigen, sagt sie. Sie müssten deswegen nicht auf allen Kanälen mit den kleinsten Massnahmen prahlen und sie für ihre Selbstdarstellung nutzen. «Ich mache auch nicht etwas Sinnvolles und engagiere mich beispielsweise ehrenamtlich, um mich damit besser darzustellen.»


5. Die Antwort von Chat-GPT

Zum Nachhaltigkeits- kommt das KI-Etikett: Alle wollen etwas mit künstlicher Intelligenz zu tun haben.

Leiseder sieht darin die Gefahr einer «Spirale des Bullshits»: Mitarbeitende nutzen Chat-GPT in einer Art Panik, nichts verpassen zu dürfen. Und kopieren mittelmässige Inhalte aus dem Chat-Fenster heraus, ohne diese zu hinterfragen. Gleichzeitig ist generative KI auf Inhalte trainiert, die sie online findet. Und damit auch auf all die Floskeln und Worthülsen, die sie von Webseiten und sozialen Netzwerken abgrasen kann. Leiseder sagt: «In KI-Chatbots wird so viel Müll reingespeist. Menschen kopieren ihn raus, ohne nachzudenken, veröffentlichen ihn – und die KI holt ihn wieder rein.»

Das Ganze multipliziere sich in einem fort. Die Frage sei, was am Ende überhaupt an Substanz übrigbleibe.

Statt unbewusst für alles KI-Chatbots zu verwenden, sollten sich Menschen bewusst machen, was sie menschlich mache und von der KI abhebe. Und das gezielt in ihrer Kommunikation einsetzen, sagt Leiseder. Die Antworten von generativer KI beruhen auf langen Wahrscheinlichkeitsrechnungen, auf Durchschnitten vergangener Inhalte. Was den Menschen daher von der KI unterscheidet, ist seine Fähigkeit, sich mit anderen zu verbinden, emotional und kreativ zu sein. Und dadurch Neues zu schaffen.

«Der Mensch ist nicht berechenbar, sondern irrational im Kern. Das müssen wir anfangen wertzuschätzen», sagt Leiseder. Klar sei es wichtig, rational zu handeln. Aber eben auch zu überraschen und neue Wege einzuschlagen. Die langweiligen Dinge könne ja dann KI machen.

Ein Artikel aus der «NZZ am Sonntag»

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