Viele Hausbesitzer erwägen, die Hypothek stärker zu amortisieren, wenn die Besteuerung des Eigenmietwerts abgeschafft würde. (Adobe Stock)

Finanzen
15.9.2025 | nzz.ch
Hypothek abzahlen oder nicht? Das wären die Folgen einer Abschaffung des Eigenmietwerts für Wohneigentümer
Bei einem Volks-Ja in der Abstimmung vom 28. September würde es für viele Immobilienbesitzer attraktiver, die Hypothek abzubezahlen. Wer über eine stärkere Amortisation nachdenkt, sollte aber generell einige Punkte prüfen.
Der Eigenmietwert scheint sieben Leben zu haben – seit seiner Einführung im Jahr 1934 gab es immer wieder erfolglose Versuche, ihn abzuschaffen. Die Schweiz geht bei der Besteuerung von Wohneigentum international gesehen einen Sonderweg. Wer hierzulande seine eigene Immobilie bewohnt, muss Steuern auf den Eigenmietwert bezahlen und kann dafür in der Steuererklärung Unterhaltskosten und Hypothekarzinsen vom steuerbaren Einkommen abziehen.
Dies schafft steuerliche Anreize, die Hypothekarschulden nicht abzuzahlen. Viele Wohneigentümer amortisieren ihre Hypotheken folglich nicht, obwohl sie die finanziellen Mittel dazu hätten. Bei einem Volks-Ja bei der Abstimmung über die Abschaffung des Eigenmietwerts am 28. September könnte sich dies indessen ändern.
Hohe Schulden würden weniger attraktiv
«Würde die Vorlage angenommen, würde es tendenziell weniger attraktiv, sich hoch zu verschulden», sagt Tom Kaufmann, Leiter des Produktbereichs Steuern und Recht beim Wirtschaftsprüfungs- und Beratungsunternehmen BDO. Dies könnte dazu führen, dass viele Wohneigentümer sich in diesem Fall dazu entschliessen würden, ihre Hypothek zu amortisieren.
Zu diesem Ergebnis kommt auch eine diesjährige Umfrage des Hypothekenvermittlers Moneypark unter 1000 Privatpersonen in der Schweiz. 10 Prozent der Befragten gaben in der Untersuchung an, im Falle der Abschaffung des Eigenmietwerts eine vollständige Amortisation ihrer Hypothek in Betracht zu ziehen. 24 Prozent sagten, sie würden in diesem Fall erwägen, ihre Hypothek teilweise zu amortisieren.
Hypothek abzahlen oder nicht? Laut Finanz- und Hypothekenexperten sollte man vor diesem Entscheid einige wichtige Punkte prüfen.
Ist das Geld für die Amortisation wirklich vorhanden? Wohneigentümer sollten sich zuallererst die Frage stellen, ob sie auf das angesparte Vermögen, mit dem sie die Hypothek zurückbezahlen möchten, verzichten könnten, sagt Lukas Vogt, Chef des Hypothekenvermittlers Moneypark. Nicht selten kommt es vor, dass bei Wohneigentümern zu viel Geld in der Immobilie gebunden ist – und dass für finanzielle Vorhaben zu wenig liquide Mittel bleiben. «Gerade bei Rentnern kann eine Liquiditätsfalle drohen», sagt Florian Schubiger, Mitgründer der Plattform Hypotheke.ch. Hinzu kommt, dass die Erhöhung oder gar die Aufnahme einer neuen Hypothek im Rentenalter für Normalsituierte oftmals schwierig ist.
Geld für Renovationen und Notgroschen nicht einsetzen: Zudem sollten Hypothekarnehmer laut Vogt prüfen, ob nach der Amortisation noch genügend grosse Reserven vorhanden sind, «um anstehende Renovationen, aber auch den Erhalt des Lebensstandards und Unvorhergesehenes zu stemmen».
Zu geringe Hypothekarsummen für Anbieter unattraktiv: Beim Abzahlen ist auch zu beachten, dass eine tiefe verbleibende Hypothekarsumme den Kunden für einen Hypothekenanbieter weniger interessant macht. Vogt nennt als Grenze Hypothekarsummen von 200 000 bis 300 000 Franken. «Letztlich bedeutet dies für den Anbieter einen ähnlich hohen operativen Aufwand bei weniger Ertrag», sagt er. Dies könne für den Hypothekarnehmer die Konditionen verschlechtern oder sogar einen Wechsel verunmöglichen. Es sei davon auszugehen, dass Anbieter bei niedrigeren Hypothekarsummen die Gebühren erhöhten oder die Hypothek nur zu höheren Zinssätzen verlängerten.
Höhere Renditen mit Geldanlagen möglich: Bei der Frage «Hypothek abzahlen oder nicht?» stellt sich zudem die Frage, ob und wie das zur Amortisation bereitstehende Vermögen heute investiert ist. «Liegt das Geld sonst auf dem Konto herum, lohnt sich die Amortisation der Hypothek», sagt Schubiger. Das Abzahlen der Hypothek lohnt sich immer dann, wenn der Hypothekarzins höher ist als die Rendite der Geldanlage.
Dabei ist das niedrige Zinsniveau zu beachten. Laut Moneypark lag der Richtsatz einer zehnjährigen Festhypothek in den vergangenen zehn Jahren bei durchschnittlich 1,8 Prozent. «Viele Vermögensanlagen dürften rentabler sein und damit mehr Gewinn abwerfen, als man durch eine Amortisation der Hypothek an Zinszahlungen einspart», sagt Vogt.
Hypothek als Inflationsschutz: Schubiger weist zudem darauf hin, dass eine Hypothek auch als Schutz vor Inflation wirken kann. Wenn jemand beispielsweise eine zehnjährige Hypothek zu 1,5 Prozent abschliesst und die Inflationsrate auf 3 Prozent steigt, verlieren die Schulden jedes Jahr netto 1,5 Prozent an Wert. Im August dieses Jahres betrug die Inflation in der Schweiz gegenüber dem entsprechenden Vorjahresmonat allerdings nur 0,2 Prozent.
Ältere und Wohlhabende profitieren
Unter den Bevölkerungsgruppen dürfte die Annahme der Vorlage vor allem Ältere und Wohlhabende begünstigen. Vogt geht davon aus, dass sowohl in Bezug auf eine allfällige Abschaffung des Eigenmietwerts als auch in Bezug auf Amortisationszahlungen die Rentner und die angehenden Rentner – also Personen im Alter von 61 bis 65 Jahren – die grössten Profiteure einer Abschaffung des Eigenmietwerts wären. Sie könnten mit dem vorhandenen liquiden Vermögen ihr ausstehendes Hypothekarvolumen halbieren.
«Ältere Wohneigentümer mit einer niedrigen Hypothekarverschuldung oder jüngere Personen, die beispielsweise dank einem Erbvorbezug eine tiefe Hypothek haben, könnten profitieren», erwartet Kaufmann.
Ein weiterer Punkt, der beachtet werden sollte: Der BDO-Vertreter geht davon aus, dass sanierungsbedürftige und schlecht unterhaltene Immobilien bei einem Volks-Ja zu der Vorlage an Attraktivität verlieren dürften – schliesslich könnten Wohneigentümer entsprechende Renovationen nicht mehr vom steuerbaren Einkommen abziehen. Indessen sei aber zu beachten, dass steuerliche Abzüge auf nicht selbst bewohntes Wohneigentum auch bei einer Annahme der Vorlage weiterhin zugelassen wären.

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