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Die beste Bank der Schweiz ist? Goldman Sachs

Das Handeln und Underwriting von Wertpapieren hat Goldman Sachs über die Jahrzehnte zur Wissenschaft erhoben. (Adobe Stock)

Die beste Bank der Schweiz ist? Goldman Sachs

Wirtschaft

2.12.2025 | nzz.ch

Die beste Bank der Schweiz ist? Goldman Sachs

Die Amerikaner dominieren das globale Investment Banking, nun wollen sie die Vermögensverwaltung erobern, auch in der Schweiz. Was die Wall-Street-Banker besser machen als die Schweizer Bankiers. Eine Innenansicht.

Nicht UBS, nicht Pictet, nicht Lombard Odier und auch nicht Julius Bär. Goldman Sachs ist gemäss einer ausführlichen Auswertung die beste Vermögensverwalterin der Schweiz: am stärksten wachsende Vermögen, kapitalstark, hoch effizient. Das Papier liefert ein weiteres Beispiel dafür, dass Schweizer Privatbanken auch im eigenen Land an Glanz verlieren.

Wie ist es möglich, dass eine Wall-Street-Bank die Schweizer sogar in ihrer Paradedisziplin, der Vermögensverwaltung, abhängt? Was hat Goldman Sachs, was andere nicht haben? Die NZZ hat mit etlichen Mitarbeitern und Ehemaligen der Bank sowie Experten gesprochen, um dieses Geheimnis zu ergründen.

Zunächst ist da der Name. «Goldman Sachs». Er lässt den Puls höherschlagen. Wie Rolex, Ferrari oder Chanel. Das hat natürlich mit Erfolg zu tun, die Bank schreibt Quartal für Quartal Milliardengewinne. Da ist aber noch mehr, ein Mythos: exklusiv, meritokratisch, elitär.

Das bedeutet auch viel Neid und Missgunst. Für ihre Gegner gilt die Bank nämlich als verschlossen, profitgierig und rücksichtslos. In einem fundamentalen Artikel im Magazin «Rolling Stone» wird sie als «Tintenfisch, der sich um das Gesicht der Menschheit windet», beschrieben. Goldman Sachs sei an jeder Spekulationsblase seit der Finanzkrise 1929 mitschuldig.

Goldman Sachs heisst auch viel prominentes Personal. Zum Beispiel Rishi Sunak: Der asketische Hedge-Fund-Manager und britische Ex-Premierminister hat wieder als Berater bei seinem ehemaligen Arbeitgeber angeheuert. Oder Hank Paulson: Er war langjähriger CEO der Bank, bevor er als Finanzminister in die US-Regierung wechselte. Oder der ehemalige italienische Ministerpräsident und EZB-Präsident Mario Draghi.

Auch die Schweizer Finanzelite ist von «Goldies» gespickt. Die Gründer des Private-Equity-Riesen Partners Group – Marcel Erni, Fredy Gantner und Urs Wietlisbach – haben ihre Lehrjahre dort verbracht. Das war sicher ein Vorteil für Gantner, als er dem Bundesrat half, an einen Zoll-Deal mit der Trump-Regierung zu kommen.

Lebenslang loyal

Eine glänzende Geschichte reicht heute aber nicht mehr, um sich abzuheben. Die Tage, als die Bank diskret agierte und auch Journalisten auf Distanz hielt, sind vorbei. Heute muss sich auch Goldman um die knappe Aufmerksamkeit bemühen und Eigenwerbung betreiben.

Dabei hat sie einen Trumpf: Ihre Mitarbeiter sind lebenslang loyal. Bis auf Einzelfälle wie den Händler Greg Smith, der 2012 den moralischen Zerfall der Bank öffentlich beklagte, äussert sich kein Ex-Goldie schlecht über seinen Arbeitgeber. Einmal Goldman Sachs, immer Goldman Sachs.

Die Mitarbeiter glühen vor Stolz. Stolz, Teil von etwas Grösserem zu sein. Stolz, eine rigorose Selektion überstanden zu haben. Zehn bis fünfzehn Interviews muss jeder Kandidat durchlaufen. Intelligenz allein genügt nicht, geistige Breite und Neugierde sind gefragt. Je mehr Leute ein Kandidat überzeugt, desto eher hat er die Chance, es zu schaffen.

Es könne «herausfordernd» sein, von aussen zu Goldman zu kommen, sagt Fedor Schulten. Er ist der oberste Investmentbanker in der Schweiz. Das heisse aber nicht, dass man es nicht schaffen könne. Man sei «unglaublich leistungsorientiert», was auch damit zu tun habe, dass das Investment Banking der Kern der Firma sei.

Investment Banking, das ist die Königsdisziplin der Hochfinanz. Sie wird nicht von vulgären Finance-Bros betrieben, die im Puffer-Gilet mit ihrer Rolex Submariner angeben. Bei Goldman Sachs ist es verpönt, zu dick aufzutragen. Die Firmengebäude liegen zwar an repräsentativen Lagen (Bahnhofstrasse Zürich, West Street in Manhattan), tragen aber keinen Schriftzug. Statt Rolex tut es eine Apple Watch und ein Anzug von der Stange. Die Exklusivität soll spürbar, aber nicht sichtbar sein.

The Art of the Deal

Das Handeln mit Aktien und Bonds, das Begleiten von Fusionen und Zukäufen («M&A») und das Vorbereiten von Börsengängen sind das Hauptgeschäft, ein hoch profitables dazu. Goldman Sachs hat das Underwriting von Wertpapieren, also die Übernahme und den Weiterverkauf von Risiken, zur Wissenschaft erhoben.

Schon Marcus Goldman, der Gründervater der Bank, sammelte 1869 in New York Schuldscheine ein und verkaufte sie weiter. Als 1906 die US-Warenhauskette Sears/Roebuck an die Börse ging, bezogen die Goldman-Banker die künftigen Gewinne der Firma ein, um die Bewertung der Aktien zu berechnen – eine Methode, die heute Standard ist.

Bis heute hält Goldman den Vorsprung im Investment Banking. Die Bank beherrscht ein Drittel des weltweiten M&A-Marktes. Jüngst hat sie mit nur einer Transaktion, dem Going-Private von Electronic Arts, 110 Million Dollar verdient. In den «League Tables» steht Goldman meist an der Tabellenspitze. Diese Deal-Hitparaden sind der wichtigste Gradmesser für den Erfolg.

Und der ist obligatorisch, um aufzusteigen. Dafür braucht es Deals, und zwar möglichst lukrative. Um an diese heranzukommen, sind gute Beziehungen in die Konzerne unabdingbar. Ein ehemaliger Goldman-Banker erzählt, dass, wenn er einen Zugang brauche – zum Beispiel zu Elon Musk –, er dann in der Bank jemanden anrufen könne, der die Verbindung herstelle. Das Adressbuch gehört dem Kollektiv.

Das ist Segen und Fluch. Mancher Goldman-Banker, der andernorts sein Glück als Chef versucht, aber sich nicht mehr auf das Goldman-Netzwerk verlassen kann, hat es schwer. Das wissen die Top-Shots. Für viele ist das ein Grund, zwanzig, dreissig Jahre bei der Firma zu bleiben.

«Beziehungsbanker» sind am erfolgreichsten

Laut Fedor Schulten, Investment-Banking-Chef Schweiz, ist es tief in der Kultur verankert, sich gegenseitig zu helfen und wichtige Kontakte zu teilen – auch ohne persönlichen Nutzen. Das erweitert das eigene Netzwerk und macht es wertvoller. «Beziehungsbanker» seien die erfolgreichsten.

Die Deals kommen aber nicht von selbst. Investmentbanker François-Xavier de Mallmann sagt, was zähle, sei die Qualität der Beziehungen. Diese müsse man systematisch pflegen und verbessern. «Nichts ersetzt den persönlichen menschlichen Kontakt», deshalb sei er während 80 Prozent seiner Arbeitszeit unterwegs, um Kunden zu besuchen.

In der Branche heisst es, ein Banker sei nur so gut wie seine letzte Transaktion. De Mallmann nennt gleich drei: die Fusionen von Lafarge und Holcim sowie Fiat Chrysler mit Peugeot zu Stellantis. Auch auf den Börsengang der Zürcher Sportmarke On in New York ist er stolz.

Zenit einer Banker-Karriere

Der Einstieg bei Goldman Sachs erfolgt als Analyst oder Associate, Tausende Arbeitsstunden und Nachtschichten später wird man Vice President, dann Managing Director. Ganz oben thronen die Partner. Partner bei Goldman Sachs zu sein, ist der Goldstandard – kein Job-Titel geniesst höheres Ansehen.

Der Eintritt in den erlauchten Kreis ist hoch selektiv. Alle zwei Jahre gibt es ein Aufnahmeritual. Es umfasst unzählige Interviews, Kandidaten werden erneut auf Herz und Nieren geprüft. 2024 schafften es 95 Banker weltweit zum Partner. Etwa 400, das sind weniger als ein Prozent der 46 000-köpfigen Belegschaft, tragen den Titel. Leistung allein genügt aber nicht, um berücksichtigt zu werden. Genauso wichtig seien ein gezügeltes Ego und Rückhalt vom richtigen «Götti», heisst es.

De Mallmann erzählt, wie er es nach elf Jahren in der Firma geschafft hatte. «Der damalige CEO Hank Paulson rief mich an, um mich aufzunehmen», sagt er. De Mallmann war 33 Jahre alt, schneller geht es kaum in den Banker-Olymp.

Viele bleiben in diesem Prozess auf der Strecke, doch die Vorteile des Partner-Modells überwiegen: «Die offene Kultur unter den Partnern erlaubt es, komplexe Probleme schneller zu lösen», erklärt Wolfgang Fink, Chef der Bank in Europa und selbst ein Partner. Es gebe einen übergreifenden Konsens, dass man sich intern nicht abschottet, Offenheit werde belohnt.

«Die Firma hat ein feines Gespür für Leistung. Die entsprechenden Personen werden herausgehoben und belohnt», sagt Fink. Nebst viel Prestige bedeutet Partner-Sein auch viel Geld. Dem Vernehmen nach erhalten frisch gebackene Partner je nach Einheit ein Grundsalär von knapp einer Million Dollar und ein Vielfaches davon als Bonus, je nach Leistung.

Abstieg in die Normalität

Trotz dem Mythos ist Goldman Sachs in den letzten Jahren aber normaler geworden. Die Bank kam zwar besser durch die Finanzkrise 2008 als viele Konkurrenten, weil sie rechtzeitig riskante Immobilienpapiere abgestossen hatte. Trotzdem veränderte sich die Organisation grundlegend. Vor allem die Umwandlung in eine Bank-Holding. Diese war nötig, um während der Finanzkrise Zugang zu Notliquidität der US-Zentralbank zu bekommen.

Ein Jahr nach der Krise schrieb Goldman bereits wieder mehr als 13 Milliarden Dollar Gewinn. Wegen der strengeren Regulierung im Nachgang der Finanzkrise war dem damaligen CEO Lloyd Blankfein aber klar, dass man sich breiter aufstellen musste. Goldman forcierte nach dem Vorbild von Morgan Stanley die Vermögensverwaltung und das Asset Management, um eine stabilere Ertragsbasis zu bekommen.

Doch dann kam ein Annus horribilis: 2010 musste die Bank wegen eines Betrugsfalls eine rekordhohe Busse von 550 Millionen Dollar zahlen. Aggressive Handelspraktiken und Interessenkonflikte rückten ins Rampenlicht. Blankfein musste sich vor dem US-Senat erklären, weil Goldman-Händler von «shitty deals» sprachen, die gegen das Interesse eigener Kunden liefen.

Hinzu kamen die ersten Klagen von weiblichen Angestellten, die strukturelle Diskriminierung und zahlreiche Fälle sexueller Belästigung beklagten. Derweil liess sich die Bankspitze weiter exorbitante Boni auszahlen. Entgleisungen und Exzesse: Das Abgleiten in die Niederungen der Finanzwelt war nicht mehr aufzuhalten. Was Goldman Sachs von einer Credit Suisse unterschied, war nicht mehr auszumachen.

Tucker York, der die weltweite Vermögensverwaltung der Bank leitet, sagt: «2010 ist eine schwierige Zeit für die Firma gewesen. Die öffentliche Kritik stellte unsere Grundfesten infrage.» Trotzdem habe man es geschafft, auch in jener Zeit das Vertrauen der Kunden nicht zu verlieren.

Das ist bemerkenswert, denn auch nach 2010 produzierte Goldman viele Flops. Das «einfache» Retail-Banking hatten die Edelbanker nicht im Griff. Aus Verzweiflung versuchte man es sogar mit Konsumkrediten und scheiterte. Ein Kartenangebot in Zusammenarbeit mit Apple erwies sich ebenfalls als Reinfall und kostete Milliarden.

Europas Vermögen im Visier

Ein weiterer Versuch, die Bank weniger abhängig vom Investment Banking zu machen, ist der Ausbau der Vermögensverwaltung. Im Gegensatz zum Retail-Fiasko klappt das gut. Die Erträge vergrössern sich Jahr für Jahr zweistellig. Heute stammen fast dreissig Prozent des Gewinns aus Vermögensverwaltung und Asset Management.

Hier verrichtet der Mythos wieder sein Werk, spezifisch jener Mythos, der die Partner umgibt. Gemäss Tucker York möchten in den USA viele vermögende Kunden ihr Geld wie Goldman-Sachs-Partner anlegen, etwa in firmeneigene Anlagen. Bei Goldman Kunde zu sein, verspricht den Gewinn von Status.

Vor allem Unternehmer, die mit Goldman eine Transaktion gemacht haben und denen die Bank anbietet, ihr privates Vermögen zu verwalten, sprechen darauf an. Im Median vertrauen Kunden der Bank rund 70 Millionen Dollar an , die Hälfte mehr, die andere weniger. Bei «Ultra High Net Worth Individuals» zieht Goldman Sachs als Marke ungemein.

Dass es in der Schweiz in der Vermögensverwaltung so gut läuft, hat auch damit zu tun, dass viele US-Banken das Wealth Management in Europa nach der Finanzkrise aufgaben. Europa ist zwar auf dem absteigenden Ast, aber es gebe sehr viel privates Vermögen, sagt Tucker York – und damit Wachstum.

Viele US-Banken gaben das Wealth Management in Europa nach der Finanzkrise auf. «Wir blieben», sagt der Goldman-Sachs-Veteran. Eine Kampfansage im firmentypischen Understatement. Die Schweizer Vermögensverwalter sollten sich warm anziehen.

Eflamm Mordrelle, «Neue Zürcher Zeitung»

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