Kryptowährungen wie Bitcoin sind spekulative Anlagen. (Adobe Stock)
Technologie
2.12.2025 | nzz.ch
Angst vor einer KI-Blase und Hackerangriffe sorgen für Verluste beim Bitcoin
Der Preis für die Kryptowährung Bitcoin ist jüngst deutlich gesunken. Experten sagen, dass es so weitergehen könnte. Was für und was gegen Bitcoin als Geldanlage für Privatanleger spricht.
Der Preis für die Kryptowährung Bitcoin ist weiterhin im Sinkflug. Von seinem Höchststand von mehr als 125 000 Dollar Anfang Oktober dieses Jahres ist er massiv gefallen, am Montag notierte er noch bei rund 84 000 Dollar.
Dabei sollte man nicht vergessen, dass sich der Preis für den Bitcoin, die wichtigste Kryptowährung, seit Ende 2023 immer noch verdoppelt und seit Ende 2022 mehr als verfünffacht hat. Genährt wurde die Begeisterung für Kryptowährungen dabei unter anderem von Kapitalzuflüssen institutioneller Investoren, neuen Anlageprodukten, regulatorischen Erleichterungen in den USA sowie dem US-Präsidenten Donald Trump, der sich als «Kryptopräsident» bezeichnete.
Stark schwankender Preis
Allerdings zeigt der jüngste Rücksetzer, dass die Bäume auch am Markt für Kryptowährungen nicht in den Himmel wachsen. Im vergangenen Jahr gab der Preis für Bitcoin um 12 Prozent nach. Zudem schwankt er sehr stark. Am Freitag vergangener Woche hatte der Bitcoin-Preis noch vorübergehend zugelegt, nun folgte der nächste Rückschlag.
Marktbeobachter und Kryptoexperten nennen mehrere Gründe für die volatile Entwicklung beim Bitcoin-Preis.
Zunächst ist da die Angst vor einem Platzen einer möglichen KI-Blase: Insbesondere bei den Aktien von Unternehmen, die im Bereich der künstlichen Intelligenz tätig sind, ist die Nervosität gross. Das sorgt für viel Unsicherheit an den Börsen. Als Nvidia Rekordgewinne bekanntgab, gab die Börse trotzdem nach. Nvidia ist weltweit führend bei der Produktion von Computerchips für KI-Anwendungen.
In jüngerer Zeit habe es grosse Abflüsse bei Spot-Bitcoin-ETF gegeben, sagt Uwe Scheunemann, Finanzplaner bei dem Unternehmen Progressive Finance. Das sind Anlageprodukte, die den Bitcoin-Preis abbilden. «Institutionelle Anleger nehmen Risiko, und damit Bitcoin, aus den Büchern.»
Auf Unsicherheiten an den Finanzmärkten reagiere Bitcoin sehr stark und als Erstes, sagt Phil Lojacono, Gründer des Finanzdienstleisters Berglinde. Folglich entwickle sich der Preis für die Kryptowährung oftmals relativ ähnlich wie Technologieaktien. Aus seiner Sicht sollte der Bitcoin aber eigentlich viel eher wie Gold angeschaut werden.
KI-Aktien und Kryptowährungen würden Anleger mit einem ähnlichen Profil anziehen, sagt Luzius Meisser, Mitglied des Verwaltungsrates beim Kryptobroker Bitcoin Suisse. Auch er kommt zu dem Schluss, dass sich der Bitcoin oft parallel zu Technologieaktien bewegt. Zudem sind Hebelprodukte beliebt, was Kurstrends nach oben wie nach unten verstärkt.
Als weitere Ursache für die grössere Zurückhaltung bei Anlegern nennt Scheunemann zudem Hacks im Bereich Decentralized Finance (De-Fi). Dieses dezentrale Finanzwesen basiert auf der Blockchain. So seien jüngst bei dem Unternehmen Yearn Finance Gelder gestohlen worden, dies habe allgemein das Vertrauen in Kryptoanlagen geschmälert, sagt Scheunemann. Auch gebe es Sorgen über die Liquidität von Strategy –vormals Microstrategy –, einem Technologieunternehmen, das viele Bitcoins halte.
Laut Meisser könnte es sogar Zeit sein für einen erneuten «Kryptowinter» – also eine Periode mit sinkenden Preisen. Bei Kryptowährungen seien psychologische Faktoren sehr wichtig, und der Glaube an einen etwa vierjährigen Zyklus sei verbreitet. Der letzte «Kryptowinter» begann im November 2021. «Typischerweise dauert ein ‹Kryptowinter› ein Jahr», sagt Meisser. Doch mit zunehmender Marktreife sind die Zyklen weniger akzentuiert. Langfristig sieht er den Bitcoin als digitales Gold – mit entsprechendem Potenzial nach oben.
Wie das Edelmetall gelten auch Kryptowährungen als spekulative Geldanlagen. Ihre Preise sind nicht fundamental erklärbar, vielmehr sind Erwartungen über die Entwicklung der Preise entscheidend. Sie basieren also letztlich auf der Spekulation, dass jemand in der Zukunft einen höheren Preis bezahlen wird als heute.
Hohe Staatsschulden sprechen für Bitcoin-Anlagen
«Nach wie vor wachsen die Staatsschulden ins Unermessliche, und die Notenbanken liefern Liquidität», sagt Scheunemann. Kryptowährungen profitieren von den Zweifeln an den traditionellen Fiat-Währungen – also ungedeckten Papierwährungen wie dem Dollar oder dem Euro. Viele Anleger fürchten deren zunehmende Entwertung, die durch das Gelddrucken der Notenbanken entstehen könnte.
Das Interesse institutioneller Grossinvestoren sei weiterhin vorhanden, sagt Scheunemann. Langfristig könnten, auch aufgrund der unterstützenden Trump-Administration, einige grosse Pensionskassen diverser amerikanischer Gliedstaaten Bitcoin in ihre Anlageportfolios aufnehmen.
«Für die kurzfristige Preisentwicklung werden vor allem klare Signale zu Zinsen und der Geldpolitik der US-Notenbank im Dezember entscheidend sein», sagt Philipp Merkt, Anlagechef von Postfinance. Zudem könnten Hinweise auf Inflation, Konsumausgaben während der Feiertage und die allgemeine Liquiditätslage den Markt stabilisieren oder zusätzlichen Druck erzeugen. Solange diese makroökonomische Klarheit fehle, bleibe der Bitcoin-Preis anfällig für Schwankungen.
Kryptoanlagen als Beimischung im Portfolio?
Scheunemann hält grosse Kryptowährungen wie Bitcoin und Ethereum als Beimischung mit einem Anteil von bis zu 5 Prozent in Portfolios von Privatanlegern für vertretbar.
Reto Spring, Präsident des Finanzplaner-Verbands, verweist indessen darauf, dass viele etablierte Finanzunternehmen weiterhin nicht auf Kryptowährungen setzten. Bitcoin und andere Kryptoanlagen seien bestenfalls als «Spielgeld» geeignet. Anleger sollten hier nur Geld investieren, das sie nicht brauchten. Kryptowährungen seien spekulative Anlagen und für den langfristigen Vermögensaufbau nicht geeignet. Wichtig sei auch, darauf zu achten, dass Kryptowährungen beim Tod des Anlegers nicht verlorengingen. Dies gilt als verbreitetes Problem.
Wer in Kryptowährungen investiert, gehe ein erhöhtes Risiko ein, sagt Postfinance-Anlagechef Merkt. In der Vergangenheit wurde dieses Risiko teilweise durch höhere Renditen und Kurssteigerungen belohnt, eine Garantie dafür gibt es jedoch nicht.
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