Wer die Liquidität nicht plant, riskiert den Konkurs – und Haftung im Verwaltungsrat. (Adobe Stock)h)
Recht
25.9.2025 | Christian Exner
Drohende Zahlungsunfähigkeit: Die Pflichten des Verwaltungsrats
Die Kolumne der Kanzlei LALIVE in Zürich gibt Antworten auf juristische Fragen, die Schweizer KMU beschäftigen können beziehungsweise beschäftigen sollten.
Unternehmenskonkurse haben im laufenden Jahr im Vergleich zu 2024 stark zugenommen. Ein Grund dafür ist, dass Unternehmen seit dem 1. Januar 2025 auch für Steuern und Abgaben sowie für andere öffentlich-rechtliche Forderungen – etwa AHV- und Suva-Beiträge – auf Konkurs betrieben werden können. Bisher war dafür nur die Betreibung auf Pfändung möglich.
Ein Konkurs ist meist das Ende einer längeren negativen Entwicklung und sollte möglichst vermieden werden, im Interesse aller Beteiligten – wie Aktionäre, Arbeitnehmende und Gläubiger. Daher verpflichtet das Schweizer Recht den Verwaltungsrat (VR) ausdrücklich dazu, bei finanziellen Schwierigkeiten rechtzeitig zu handeln, um Konkurse möglichst zu verhindern.
Pflicht zur Überwachung der Zahlungsfähigkeit
Um rechtzeitig Gegensteuer geben zu können, muss der VR finanzielle Schwierigkeiten frühzeitig erkennen. Tiefergehende finanzielle Probleme kündigen sich häufig durch Zahlungsschwierigkeiten an. Deshalb verpflichtet das Gesetz den VR ausdrücklich dazu, die Zahlungsfähigkeit der Gesellschaft laufend zu überwachen.
Zahlungsfähigkeit bedeutet, jederzeit genügend liquide Mittel zur Verfügung zu haben, um die fälligen Verbindlichkeiten begleichen zu können. Solche liquiden Mittel sind insbesondere Bargeld, Bankguthaben, kurzfristige Callgeldanlagen sowie kurzfristig gehaltene Aktiven mit Börsenkursen.
Eine wirksame Überwachung der Zahlungsfähigkeit setzt eine rollende Liquiditätsplanung voraus, die auf die Geschäftstätigkeit abgestimmt ist. Dazu gehören die Erstellung und laufende Aktualisierung eines Liquiditätsplans, der die erwarteten Ein- und Auszahlungen über einen angemessenen Zeitraum abbildet.
Die Pflicht zur Überwachung bedeutet nicht, dass der VR alle operativen Tätigkeiten selbst ausführen muss. Er ist jedoch dafür verantwortlich, ein funktionierendes System zu installieren, das ihm eine zuverlässige Kontrolle der Zahlungsfähigkeit ermöglicht , und ihn in die Lage versetzt, bei Warnsignalen rasch und angemessen zu reagieren.
Pflicht zum Ergreifen von Sanierungsmassnahmen bei drohender Zahlungsunfähigkeit
Droht die Gesellschaft zahlungsunfähig zu werden, ist der VR verpflichtet, mit der gebotenen Eile Sanierungsmassnahmen zu ergreifen. Eine drohende Zahlungsunfähigkeit liegt vor, wenn konkrete Anhaltspunkte dafür bestehen, dass die Gesellschaft in absehbarer Zeit nicht mehr in der Lage sein wird, ihre finanziellen Verpflichtungen zu erfüllen, z. B. aufgrund des Verlusts eines wichtigen Auftrags oder steigender Energiekosten.
Das Gesetz definiert nicht konkret, welchen zukünftigen Zeitraum der VR dazu im Auge behalten muss. Grundsätzlich sollte er die kommenden zwölf Monate abdecken. Der Zeithorizont hängt aber auch von der konkreten Situation des Unternehmens ab, so etwa vom Fremdfinanzierungsgrad und dem damit verbundenen Spielraum des Verwaltungsrats, Liquiditätsengpässe durch die kurzfristige Aufnahme weiteren Fremdkapitals zu überbrücken.
Die Pflicht, Sanierungsmassnahmen zu ergreifen, steht unter dem Vorbehalt, dass die Gesellschaft sanierungsfähig und sanierungswürdig ist – dass also zu erwarten ist, dass das Unternehmen durch geeignete Massnahmen künftig wieder profitabel wirtschaften kann. Dies hat der VR vorab zu prüfen. Das Gesetz umschreibt verschiedene Sanierungsmassnahmen.
Vorab soll der VR die Zahlungsfähigkeit sicherstellen, indem er einerseits die Liquiditätsabflüsse verlangsamt, z. B. längere Zahlungsfristen mit Lieferanten verhandelt oder die Stundung von Zinsen. Andererseits kann der VR die Zahlungsfähigkeit verbessern, indem er die Mittelzuflüsse möglichst beschleunigt, z. B. durch eine Verkürzung von Zahlungsfristen für Kunden oder durch Factoring.
Reichen diese Massnahmen nicht aus, muss der VR weitere Sanierungsmassnahmen treffen. Dazu kann etwa der Abbau von Personal gehören, eine Reduktion des Angebots oder die Produktionsverlagerung. Der VR kann auch der Generalversammlung Massnahmen beantragen, die in deren Zuständigkeit fallen – beispielsweise Kapitalmassnahmen, wie eine Kapitalerhöhung mit oder ohne vorgängige Kapitalherabsetzung.
Nötigenfalls soll der VR ein Gesuch um Nachlassstundung einreichen. Diese hat unter anderem die Wirkung, dass Vollstreckungshandlungen während der Dauer des Verfahrens weitgehend ausgeschlossen sind, insbesondere Betreibungen. Dies verschafft dem Unternehmen eine «Verschnaufpause». Sofern das Unternehmen noch über eine gewisse Substanz und ausreichend Liquidität verfügt, sollte der VR die Vor- und Nachteile eines Gesuchs um Nachlassstundung frühzeitig näher prüfen.
Haftungsrisiken und weitere Pflichten
Verletzt der VR seine gesetzlichen Handlungspflichten, kann er zivilrechtlich haftbar gemacht werden, wenn dadurch ein vermeidbarer Schaden entsteht.
Droht nicht nur die Zahlungsunfähigkeit, sondern ist die Gesellschaft zudem überschuldet, hat der VR weitere Pflichten (nähere Ausführungen dazu in einer späteren Kolumne).
Fazit
Der Verwaltungsrat trägt die Verantwortung für die finanzielle Stabilität der Gesellschaft. Um Haftungsrisiken zu minimieren, muss er ein wirksames System etablieren, um finanzielle Schwierigkeiten frühzeitig zu erkennen und bei Anzeichen einer drohenden Zahlungsunfähigkeit umgehend geeignete Sanierungsmassnahmen zu ergreifen.